Das Buch der Vampire 01 - Bleicher Morgen
wiederholt versucht, die Tatsache zu erörtern, dass sie während der Ereignisse im Redfield Manor Sebastian Viogets Namen genannt hatte, aber Victoria schwieg beharrlich. Wegen ihres Patzers war sie wütend auf sich selbst, aber solange sie Max’ Verhören aus dem Weg ging, konnte sie den Schaden auf ein Minimum begrenzen. Tatsächlich bereitete es ihr sogar Vergnügen, die Verärgerung auf seinem Gesicht zu sehen, wenn sie seinen Fragen geschickt auswich.
Erst als Tante Eustacia anfing, Fragen zu stellen, wurde die Lage für Victoria brenzlig.
»Max sagte mir, dass du Sebastian Vioget kennen gelernt hast«, bemerkte ihre Tante eines Nachmittags, nachdem es Victoria
gelungen war, sich aus dem Haus zu stehlen, bevor ihre Mutter sie zu einem weiteren Teekränzchen schleifen konnte. Es war nicht so, dass sie etwas dagegen gehabt hätte, sich mit Gleichaltrigen an Klatsch und Kuchen gütlich zu tun, aber Victoria hatte in der vergangenen Woche so viel davon genossen, dass ihr schon übel wurde, wenn sie auch nur an Zitronenaufstrich oder gestockte Sahne, mit denen die diversen Backwaren bestrichen waren, dachte. Ganz abgesehen davon, dass ihr Mieder sich mittlerweile unbehaglich eng anfühlte.
Wie sollte sie in ihr Hochzeitskleid passen, wenn sie weiterhin fünf oder sechs Teeeinladungen pro Tag absolvierte?
»Wieso denkt Max, ich hätte ihn kennen gelernt?«, gab Victoria mit unschuldiger Miene zurück.
Tante Eustacia bedachte sie mit einem milden Blick, der ihr verriet, dass sie ihr die Haarspalterei durchgehen lassen würde. »Du hast ihn in Rudolph Caulfields Haus erkannt, deshalb nahm Max an, dass du ihn kennst.«
»Ich wusste, wer er war, aber das heißt noch lange nicht, dass ich ihn kennen gelernt haben muss. Was meinst du, hat er dort gemacht?«
Ihre Tante verschränkte die von Spitze umsäumten Hände im Schoß und sah ihre Nichte direkt an. »Ich hatte gehofft, dass du das vielleicht beantworten könntest.« Der milde Ausdruck war verschwunden.
»Ich weiß wirklich nicht, warum er dort war. Ich war ebenso überrascht, wie Max es gewesen sein muss. Es sei denn, Max hätte mit ihm gerechnet?
Ihre Tante musterte sie, als wollte sie die Aufrichtigkeit ihrer Aussage einschätzen, dann schien sie zu einer Entscheidung
zu gelangen - offenbar zu Victorias Gunsten, denn sie sagte: »Sebastian Vioget ist sehr einflussreich und könnte ein wertvoller Verbündeter für unsere Sache sein. Wenn wir ihm nur vertrauen könnten.« Eustacias Blick war nun so durchdringend, dass Victorias Wangen warm wurden. Sie hatte das Gefühl, dass ihre Tante auf eine Entgegnung wartete, aber Victoria hatte keine Ahnung, was sie erwidern sollte. Sie war sich bewusst, dass alles, was sie an diesem Punkt sagen könnte, sie nur verraten würde.
Denn Victoria selbst hatte keinen Grund, Sebastian nicht zu vertrauen. Die Information, die er ihr gegeben hatte, war korrekt gewesen - soweit sie das feststellen konnte.
Es war nicht so, dass sie ihm traute. Es war so, dass sie ihm nicht nicht traute. Wieder dieses Problem mit der Haarspalterei.
»Warum vertraust du ihm nicht? Er ist kein Vampir.«
Eustacia warf ihr einen Blick zu, der sie an den scharfen Streich erinnerte, mit dem Max den Imperialvampir geköpft hatte. »Nein, er ist kein Vampir. Aber allein der Umstand, dass er während der Entführung des Buches in Rudolph Caulfields Haus war, hat sowohl Max als auch mich zum Nachdenken gebracht. Welche Rolle spielt er bei dem Ganzen? Victoria, was weißt du über Sebastian? Hattest du auf irgendeine Weise mit ihm zu tun?«
Victoria öffnete den Mund, um etwas zu sagen, dann schloss sie ihn wieder. Sebastian hatte sie davor gewarnt, preiszugeben, woher sie ihre Information hatte, aber wie sollte sie das vor Tante Eustacia geheim halten? Besonders, nachdem sie so unverblümt danach fragte?
Victoria rang mit sich, wohl wissend, dass ihre Tante sie beobachtete
und ihr Zögern, zu antworten, dieser bereits alles verriet, was sie erfahren wollte. Also traf sie ihre Entscheidung.
»Ich habe den Silberkelch aufgesucht, um Informationen über das Buch des Antwartha zu bekommen, und bei dieser Gelegenheit bin ich mit ihm in Kontakt gekommen. Er hat mir deutlich zu verstehen gegeben, dass ich niemandem etwas von unserem Gespräch sagen dürfte, also tat ich es nicht.«
Tante Eustacia nickte kurz. Zu Victorias Erleichterung fragte sie nicht nach weiteren Einzelheiten. Stattdessen bemerkte sie: »Falls du ihn bei Gelegenheit noch einmal
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