Das Buch der Vampire 02 - Schwärzeste Nacht
halb zu ihm um, und er stellte
sich neben sie, sodass sie einander gegen die Reling gelehnt ansahen. Sie waren exakt gleich groß: sein goldfarbener, muskulöser Körper und ihr schmaler, vom Alter leicht gebeugter.
»Ich weiß. Damals war ich bezaubert von deiner Schönheit und gleichzeitig abgeschreckt von deiner Grobheit, deiner dreisten Art und entsetzlichen Kampftechnik.«
»Ich bekomme nie genug davon, dich in Erinnerungen an meine umwerfende Schönheit schwelgen zu hören.«
»Und ich bekomme nie genug davon, dich sagen zu hören, wie viele Male dein Leben gerettet wurde, weil Wayren beharrlich genug darauf bestand, dass du von mir ausgebildet wurdest.«
Sie lächelten einander an, während sie in behaglicher Kameradschaft die Nacht und ihre Erinnerungen auskosteten. Obwohl ihre Gelenke stärker pochten als gewöhnlich und ihr davor graute, nach Rom zurückzukehren, sehnte Eustacia sich nicht nach ihrem jüngeren Ich zurück.
»Deine Nichte ist genauso schön, talentiert und starrköpfig, wie du es warst. Kein Wunder, dass Vioget sie auf diese Weise ansieht.«
»Ich weiß nicht, was alles zwischen ihnen vorgefallen ist, doch ich fürchte, es ist mehr, als mir gefallen würde, und hoffe bloß, dass es nicht zu einer dauerhaften Bindung kommt.«
»Du traust ihm nicht ganz.«
»Nein. Das kann ich nicht. Er ist ein wertvoller Verbündeter und hat uns bereits sehr geholfen, trotzdem kann ich ihm nicht uneingeschränkt vertrauen, denn er schlüpft wann immer es ihm beliebt in jede Rolle, die ihm einen Vorteil verschafft. Und er spielt sie gut. Er wird sagen und tun, was auch immer er muss, um zu bekommen, was er begehrt.«
»Und was ist es, das er begehrt?«
»Das beunruhigt mich am meisten, Kritanu. Ich weiß es nicht. Ich weiß nicht, wie es wirklich in seinem Herzen aussieht.«
»Möglicherweise gehst du wegen Max’Verschwinden zu zaghaft mit deiner Intuition um. Ihm hast du blind vertraut.«
»Ich vertraue ihm blind. Das tue ich noch immer und werde ich bis ins Grab. Er ist entweder tot oder... Nun, ich möchte gar nicht daran denken. In Venedig habe ich nicht das Geringste über seinen Verbleib erfahren können; ich kann nur hoffen, dass wir ihn in Rom finden werden.«
»Und falls nicht, denkst du, dass sich die Prophezeiung bewahrheiten könnte?«
Sie nickte. »Wie unsere mystische Rosamund schrieb: ›Des Venators ruhmreiche Zeit wird in Rom zu Ende gehen.‹ Falls Nedas wirklich die ganze Kraft von Akvans Obelisken freisetzt, fürchte ich, dass diese Schlacht in Rom unser aller Ende sein wird.«
Kapitel 13
Ein Duell wird ausgetragen
N ach ihrem Intermezzo mit Sebastian hielt Victoria sich trotzig von sämtlichen Schiffsdecks fern, sobald der Mond und die Sterne am Himmel standen, und beschränkte ihre Spaziergänge auf taghelle Stunden.
Es war seltsam, ihn jeden Tag zu sehen, inklusive der Zeiten, wenn sie ihre Runden um die Masten und andere auf dem Deck befestigten Objekte drehte. Sie war es gewöhnt, dass er unerwartet auftauchte - und nicht, ihm beim Essen gegenüberzusitzen. Er benahm sich, als würde er sie kaum kennen, indem er sich höflich verbeugte und sie mit Mrs.Withers ansprach, wann immer sie sich begegneten, während er gleichzeitig seinen Charme gleichmäßig auf die anderen vier Frauen an Bord verteilte. Die Gattin des Kapitäns und ihre Schwestern waren überaus entzückt.
Victoria war es lieber, dass er auf Abstand blieb. Es fiel ihr leichter, die Erinnerung an Phillip wachzuhalten, daran, wie sehr sie ihn geliebt hatte und wie frisch verwitwet sie war, wenn sie Sebastian nur im Vorbeigehen sah.
Aber die Tatsache blieb bestehen, dass sie an Sebastian dachte, und das ziemlich oft. Es war schwer, die Erinnerung daran, wie sein muskulöser Körper sie gegen die Reling gedrängt hatte, aus dem Gedächtnis zu verbannen, und fast unmöglich, die Küsse, die sie ausgetauscht hatten, zu vergessen - vor allem, da sich seine
sinnlichen Lippen stets zu diesem einladenden Lächeln verzogen, sobald sie ihm über den Weg lief. Seine Absichten waren ihr vollkommen klar; sie hoffte bloß, dass Tante Eustacia sie nicht ebenfalls erkannt hatte.
Gleichzeitig fragte Victoria sich, was es eigentlich schaden könnte, wenn sie dem, was sie beide begehrten, nachgeben würde. Er hatte keinen Zweifel daran gelassen, dass er kein anderes Interesse verfolgte als eine Romanze, von der sie beide profitierten, was auch für sie das Einzige war, was sie wollte oder worauf sie sich einlassen durfte.
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