Das Buch der Vampire 03 - Blutrote Dämmerung
ihre Pistole und wirbelte herum. »Zavier.«
»Wo waren Sie?«, fragte er. »Ich hatte Sie in dem Gedränge für einen Moment aus den Augen verloren.«
»Ich … habe mir ein paar geröstete Kastanien gekauft, und dann hat jemand mit einem Bonbon nach mir geworfen. Schon wieder.«
Zavier lachte. »Ah, ich sehe schon. Noch ein puderiger, wei ßer Fleck auf Ihrer Schulter.« So selbstverständlich, als hätte er das schon oft getan, hakte er sich nun bei ihr unter. »Ich habe heute Nacht nicht einen einzigen Vampir gesehen oder gewittert -«
Er brach im selben Moment ab, als ein unverkennbares Frösteln ihr die Nackenhärchen aufstellte. Sie sahen sich an. »Hier
entlang«, befahl Victoria und begann, in die Richtung zu laufen, in die die Gestalt verschwunden war.
Sie wusste nicht, ob es Zufall war, trotzdem drängten sie sich zielstrebig durch die Menge der Feiernden und folgten der Fährte des ersten Vampirs, den sie in dieser Nacht wahrgenommen hatten. Auf ihrem Weg durch die Straßen ließen sie das muntere Treiben bald hinter sich, und Victoria stellte plötzlich fest, dass sie einen kleinen Hügel hinaufliefen, auf dessen Kuppe sie die Umrisse von Mausoleen und Grabsteinen erkannte.
Ein Friedhof. Nicht gerade ungewöhnlich, hier auf einen Untoten zu treffen.
Als sie durch das offene Eisentor traten, nahm Victoria die Maske ab und brachte den Pflock, den sie inzwischen hervorgezogen hatte, in Position.
»Haben Sie etwas gehört?«, fragte Zavier, der neben ihr stehen blieb.
Hier oben auf dem Friedhof, weit weg von dem Wahnsinn des Faschingstreibens unter ihnen, war bis auf ein gelegentlich in der Ferne erschallendes Rufen oder Lachen alles ruhig. Die Monumente und Grabsteine warfen hohe, kalte Schatten auf das dunkle Gras.
»Nein«, antwortete sie, dann ging sie mit der Maske in der Hand weiter. Die frische Luft fühlte sich gut an auf ihrem nun unbedeckten Gesicht, allerdings hatte sich ihr Nacken leicht erwärmt, und die feinen Härchen dort lagen wieder flach an. Sie hatte die Spur verloren.
»Nicht gerade viele Vampire auf dem diesjährigen Karneval«, murmelte Zavier an ihrer Seite. Seine Schultern stießen
beim Laufen gegen ihre, deshalb ging er ein wenig auf Abstand. »Vielleicht rotten sie sich seit Nedas’ Tod irgendwo anders zusammen, um sich neu zu organisieren.«
Victoria hatte Nedas, Liliths Sohn, in derselben Nacht getötet, als Akvans Obelisk zerstört worden war. Nedas war der mächtige Anführer der Vampire in Rom gewesen, dem die Tutela treu ergeben war. Seit seiner Vernichtung war das weitere Schicksal seiner Gefolgsleute und der Tutela ungeklärt, genau wie die Frage, wer seine Nachfolge antreten würde.
»Ich kann mir nicht vorstellen, dass Beauregard sich die Gelegenheit entgehen lassen würde, die Kontrolle über die Vampire Roms an sich zu reißen.« Victoria stieg über einen niedrigen Eisenzaun hinweg, wobei sich der Saum ihrer Hose - zum Glück war ihre Mutter nicht zu Hause gewesen, als sie sie angezogen hatte - an einer der Spitzen verfing. »Er hat beinahe gegeifert bei der Nachricht von Nedas’ Tod, und dann wollte er Max vor den Augen der versammelten Vampire hinrichten.« Ihre Finger fühlten sich eisig an, obwohl die Luft nur kühl war. »Wir haben es nur mit Müh und Not lebend dort herausgeschafft.«
»Gab es da nicht noch einen anderen Vampir, der Nedas beerben wollte?«
»Doch, der Conte Regalado, der damals der Anführer der Tutela war, war leidenschaftlich daran interessiert. Er wurde erst kurz zuvor selbst zum Vampir, deshalb ist seine Macht noch nicht sehr groß. Andererseits scheint er nicht nur die Unterstützung der Tutela zu genießen, er hat auch einige von Nedas’ Getreuen auf seine Seite gezogen. Tatsächlich ist es nicht zuletzt Regalados Einmischung zu verdanken, dass Max und
ich Beauregard entkommen konnten.« Regalado war außerdem auch der Vater jener Frau, die Max zu heiraten beabsichtigt hatte, eine Frau, die es genoss, wenn Vampire von ihrem Blut tranken.
Victoria überlegte flüchtig, ob Regalado, jetzt da er ein Vampir war, wohl je Sarafinas Blut getrunken hatte. Vulgär genug wäre er dazu.
Und Sarafina war verrucht genug, um es zuzulassen.
In Wahrheit hätte Victoria die Schlacht zwischen den beiden verfeindeten Vampirgruppen ohne Sebastians Hilfe nicht überlebt. Aber zumindest glaubte sie jetzt, eine Möglichkeit gefunden zu haben, um ihn aufzuspüren.
Victoria war so sehr in ihre Überlegungen vertieft, dass sie erst bemerkte,
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