Das Buch der Vampire 04 - Brennendes Zwielicht
wurde ganz ernst. »Unsinn, Mutter, ich bin mir ziemlich sicher, dass du nichts mit seinem … äh … gebrochenen Herzen zu tun hast. Jedes Mannes Herz, das so spröde ist wie Staub, ist unserer Beachtung nicht wert. So, soll ich dir noch etwas Tee nachschenken, Gwen?«
»Lady R ockley«, meinte George in unbeschwertem Ton. »Ich habe gehört, dass Sie gestern Zeugin eines unangenehmen Vorfalls im Park geworden sind.«
»Es war schrecklich«, verkündete Lady Nilly, während sie ihren Tee laut klirrend umrührte. »Ach Gott, da war überall Blut.«
»Und Male auf ihrer Brust!«, fügte Lady Winnie hinzu. »Drei Xe und ihre Kleidung war völlig zerfetzt … als ob irgendein Tier über sie hergefallen wäre.«
Georges Augenbrauen fuhren in unverfälschter Überraschung hoch. »Sie waren auch da? Und haben das Schreckliche mit eigenen Augen gesehen? Ein Anblick, der meiner Mutter bestimmt auf Wochen den Schlaf geraubt hätte.«
»Nein, wir waren nicht da, aber ich …«
»Es war ein schrecklicher Anblick«, unterbrach Victoria sie energisch. Sie wusste nicht, worauf George und Sara hinaus wollten, aber sie ging stark davon aus, dass die beiden ziemlich genau wussten, was sie gesehen hatte. Einen Tag, nachdem sie das Opfer eines Vampirangriffs – und das am helllichten Tage – gesehen hatte, unangekündigt bei ihr zu Hause aufzutauchen, wäre ein zu großer Zufall gewesen. Sie gehörten beide der Tutela an, deshalb gab es nur zwei Möglichkeiten: Entweder sie wussten von dem Angriff und wollten sehen, was Victoria herausgefunden hatte, oder sie nahmen nur an, dass es vielleicht ein Vampirangriff gewesen war, und wollten es jetzt bestätigt wissen. Doch was immer auch ihre Absicht sein mochte – Victoria war verständlicherweise nicht geneigt, ihnen in irgendeiner Form zu helfen.
Aber ehe sie reagieren konnte, indem sie das Thema wechselte, öffnete sich die Tür zum Salon erneut. »Monsieur Sebastian Vioget«, verkündete der Butler. Dabei reckte er die Nase ganz weit nach oben, als würde es irgendwie unangenehm riechen. Lettender hatte etwas gegen die Franzosen, seit sein Bruder bei Waterloo gefallen war.
Sebastian kam mit einem frechen Grinsen auf den Lippen in den Salon und zeigte sich kein bisschen überrascht, dass der Raum voller hochrangiger Mitglieder zweier Gesellschaften war – des ton und der Tutela. Ungezwungen durchquerte er den Raum und ging direkt auf Victoria zu.
»Hallo, meine Liebe«, sagte er und beugte sich nach vorn, um ihr einen Kuss auf die Wange zu drücken, der vor Intimität förmlich schrie. »Du siehst heute ganz bezaubernd aus.«
Sie war versucht zurückzuweichen, um ihm deutlich zu machen, welch eine Unverfrorenheit sein Verhalten war, aber der Ausdruck auf dem Gesicht ihrer Mutter war einfach zu köstlich, um ihn durch so eine R eaktion zunichtezumachen. Lady Melly sah aus, als hätte sie einen ganzen Keks auf einmal verschluckt, und Lady Winnie, die heftige Schluckbewegungen machte und gleichzeitig versuchte nicht zu husten, hatte wahrscheinlich genau das getan.
»Sebastian«, sagte sie und schenkte ihm ein aufrichtig erfreutes Lächeln. Er sah sie mit freundlicher Miene an, und sie dachte bei sich, dass sie bei ihm wenigstens wusste, was er von ihr wollte.
Sie tätschelte seine Hand, die angemessen gekleidet in einem Handschuh steckte, und deutete auf einen neben ihr stehenden Stuhl. »Hättest du etwas dagegen, uns beim Tee Gesellschaft zu leisten, ehe wir zu unserem Ausritt aufbrechen?« Ihre Stimme war zwar einladend und charmant, aber ihr Blick sagte etwas anderes. Es war nicht abgesprochen gewesen auszureiten oder irgendetwas anderes zu unternehmen, doch er war intelligent genug, auf ihr Spielchen einzugehen. »Allerdings ist es noch ein bisschen früh für Tee …«
Wenn er sich jetzt hinsetzte, ohne ihren dezenten Hinweis zu gehen zu befolgen, würde sie ihn nie wieder küssen.
»Aber natürlich habe ich nichts gegen Tee. Wir können auch später ausreiten«, meinte er und bedachte sie mit einem entwaffnenden Lächeln, das gegen ihren Willen Wärme in ihr aufsteigen ließ. Vielleicht hätte sie sich letzte Nacht doch von ihm verführen lassen sollen. »Tee kann ich immer trinken. Und in solch erlauchter Gesellschaft allemal.« Er deutete eine Verbeugung an und drehte sich dann mit unschuldig hochgezogenen Augenbrauen zu ihr um. »Du hast unsere wundervolle Neuigkeit noch nicht verkündet, oder, Liebste?«
Sie würde ihn wieder pfählen – und dieses Mal würde
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