Das Buch der Vampire 04 - Brennendes Zwielicht
Hungreath vom Kopf der Tafel aus. »Es gibt auch Gebäck.«
Victoria schob sich an den anderen Gästen vorbei und legte ihren Arm um Gwendolyn, die sich gerade frisch gemacht hatte. Während sie in den Salon schlenderten, warf sie einen Blick auf die Gartenanlagen hinter dem Haus. Es war noch keine acht Uhr, sodass die Sonne noch nicht untergegangen war und man sie in der Ferne über den Wipfeln sehen konnte. Sie würde noch eine Stunde warten, vielleicht auch neunzig Minuten, dann konnte sie sich bei ihrer Gastgeberin entschuldigen und gehen.
Sobald sich das Flattern von R öcken, Seidenschals und Handtäschchen im Salon gelegt hatte, bemerkte Victoria, dass Sara R egalado fehlte. Verflixt und zugenäht! Sie hätte zurückbleiben und erst dann in den Salon gehen sollen, wenn sie sicher war, dass sich die Frau ihnen auch angeschlossen hatte.
Das leicht herablassende Lächeln während des ersten Gangs hatte schon angedeutet, dass das italienische Luder nichts Gutes im Sinn hatte. Doch jetzt saß Victoria in der Patsche. Die Männer hielten sich mit Zigarre und Brandy im Arbeitszimmer auf. Bis sie sich wieder den Damen im Salon anschlossen, saß sie hier fest, während sie entweder Whist spielen, Hochzeitsplänen lauschen oder sich den neuesten Klatsch über wer-mit-wem anhören musste.
Oder zumindest würde sie im grüngoldenen Salon festsitzen und höflich Konversation machen, wenn sie sich wie Victoria Gardella Grantworth, eine Dame der Gesellschaft, benahm. Aber sie war Illa Gardella, die sich auch noch mit anderen Dingen als mit Klatsch und Mode beschäftigte, und deshalb würde sie die Sache in die Hand nehmen.
Victoria erhob sich und entschuldigte sich damit, dass sie sich frisch machen wollte.
Und wie es das Glück wollte, schaute sie aus einem der hüfthohen quadratischen Fenster, von denen aus man in den Garten der Hungreaths sehen konnte, als sie den Raum verließ. Überall waren große Gruppen aus Lilien und Hyazinthen und dazwischen Pergolas, an denen R osen rankten. Sie sah kurz ein Stück rosafarbenen Stoff flattern, der hinter einer Statue eines wasserspeienden Cupido verschwand.
Sara hatte ein rosafarbenes Kleid angehabt.
Kurze Zeit später eilte Victoria den mit Schiefer gepflasterten Weg entlang und versuchte dabei, möglichst nicht von einem der Fenster des Hauses aus gesehen zu werden. Obwohl sie von der entgegengesetzten Seite kam, fand sie den Brunnen mit dem Cupido ohne Probleme und schlug dann die Richtung ein, in der der flatternde R ock verschwunden war.
Victoria wich trockenen Ästen und raschelndem Laub aus, während sie jedes Mal erst vorsichtig hinter einem Baum oder einer Hecke hervorschaute, ehe sie drumherum ging. Über eine Abzweigung des Weges gelangte sie in den Kräutergarten, wo sie an Büschen voll silberblättrigem Salbei, gelbem Ysop und Myrte vorbeikam. Häufig blieb sie stehen, um durch ein Netz aus Kletterrosen und dekorativ rankendem Efeu oder hohen Gräsern und nicht minder hohen Blumen zu schauen.
Es war ganz still im Garten. Nur das Rauschen von Wasser, das der kleine Cupido ausspie, war in der Ferne zu hören. Ein Vogel stieß einen Warnruf aus, ehe er zu seinem Nest flatterte und dabei ein paar verwelkte Blätter löste, die zu Boden schwebten. Die Sonne ging unter, und der orangerote Feuerball, der den Garten immer noch erhellte, glühte zwischen den Baumkronen in der Ferne.
Victoria begann schneller zu gehen und stellte fest, dass sie im Kreis lief, denn die vier großen, kreisförmig angelegten Wege des Gartens trafen sich alle wieder beim Brunnen mit dem Cupido. Es befand sich niemand im Garten.
Verwirrt drehte sie sich schließlich um, um zum Haus zurückzukehren. Sie hatte nichts erreicht. Entweder hatte sie das, was sie meinte gesehen zu haben, gar nicht wirklich gesehen, oder Sara war wieder nach drinnen gegangen. Oder sie versteckte sich irgendwo, sodass Victoria sie nicht sehen konnte – aber es gab wirklich keine Stelle, wo sie das hätte machen können.
Außer im kleinen Schuppen des Gärtners.
Victorias Herzschlag beschleunigte sich, als sie ihren Blick auf das kleine, gepflegte Gebäude richtete, welches kaum größer als ein altmodischer Außenabort war. Es stand in der hinteren linken Ecke des Gartens, neben der Steinmauer, die das Grundstück umgab. Es kribbelte sie am ganzen Körper, als sie sich auf das kleine Häuschen zu schlich und dabei die Ohren spitzte, ob sie irgendwelche menschlichen Geräusche vernahm. Was könnte Sara R
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