Das Buch der Vampire 04 - Brennendes Zwielicht
entsetzlicher musste es dann für Max sein?
Er hatte die Untoten nicht nur länger als sie gejagt, sondern lebte auch mit der Erinnerung daran, dass er seine Familie diesen unsterblichen Geschöpfen ausgeliefert hatte. Er hatte seine Venatorenkräfte nicht nur aufgegeben, um den Bann zu brechen, der ihn an Lilith fesselte, sondern auch, um die Möglichkeit zu bekommen, den Dämon Akvan zu töten. Es war prophezeit worden, dass kein Venator oder Dämon ihm je etwas würde anhaben können – deshalb hatte Max sich von seinen übernatürlichen Kräften losgesagt, um wieder nur ein Mensch zu sein, der das Geschöpf töten konnte.
Aber Max würde nie einfach nur ein Mensch sein.
»Wie geht es deiner Hand?«, fragte er plötzlich und trat ans Fußende ihres Bettes.
»Meiner Hand?«
Ein leises Klirren war zu hören, und dann flammte ein winziges Licht im Raum auf, das er mit einer Hand abschirmte. »Miros Leuchtstäbe sind ziemlich praktisch«, meinte Max anerkennend. »Deine rechte Hand, Victoria. Zeig sie mir.«
Jetzt erst verstand sie. Victoria zögerte und zog die Hand in ihren Schoß.
Er stand jetzt viel dichter neben dem Bett, und sie zog die Beine unter der Decke hervor, um sich auf die Kante zu setzen, als hätte sie in der Position einen festeren Stand – doch ihre Füße baumelten nervös über dem Boden. Während er das Flämmchen hochhielt, griff er nach ihrem Handgelenk.
»Öffne die Hand.«
Sie folgte seiner Aufforderung, und der gelbe Schein beleuchtete die bläuliche Verfärbung ihres Ballens.
Ihre Blicke begegneten sich, und sie merkte, dass ihr warm wurde und diese Wärme sich von ihrer Brust bis in alle Glieder ausbreitete. Der Raum schien sich um sie herum zusammenzuziehen.
»Es lässt sich nicht abwaschen.« Ihre Stimme war ganz weich.
»Ich hatte dir gesagt, dass es nicht geht.«
Die blaue Verfärbung rührte von einem Splitter von Akvans Obelisken her, jenem dämonischen Stein, den Max im vorigen November zerschmettert hatte, als sie gegen Nedas kämpften. Victoria hatte eines der Stücke genommen und ins Konsilium gebracht, von wo aus dann – von ihr unbemerkt – die Macht des Obelisken Akvan auf die Erde zurückgerufen hatte. Und die Macht, die das Bruchstück ausstrahlte, hatte seine Günstlinge zum Geheimort des Konsiliums geführt.
Als sie den Splitter aus seinem Versteck geholt und an einen sicheren Ort hinter dem Alchimistischen Portal gebracht hatte, war auch Max dort gewesen.
Das war der Moment gewesen, in dem Victoria unter dem Einfluss des Obeliskenbruchstücks, das sie in der Hand hielt, ihn dazu herausgefordert hatte, sie zu küssen.
Die blaue Verfärbung auf ihrer Hand war untilgbar mit der Erinnerung daran verbunden, wie sich ihre Finger in die raue Steinmauer gruben, als Max seinen Mund auf ihren legte.
Sie schloss ihre Hand zur Faust. Es war ein glücklicher Umstand für sie, dass man in der feinen Gesellschaft immer Handschuhe trug.
»Ich habe mich oft gefragt, ob das einer der Gründe war, warum Beauregards Blut nicht in dir Fuß fassen konnte.« Er wies brüsk mit dem Kopf auf ihre Hand, ehe er sie losließ und dann etwas auf Abstand ging.
Ihr Atem ging jetzt ein wenig leichter, und sie drückte ihr Bein gegen die Bettkante. »Auf den Gedanken bin ich gar nicht gekommen, aber es könnte sein. Vampire und Dämonen sind unsterbliche Feinde. Ich bin offensichtlich mit Akvans Macht in Berührung gekommen, als ich den Stein hielt. Vielleicht ist etwas davon zurückgeblieben.«
Er nickte. »Das und deine zwei vis bullae .« Sein Blick richtete sich auf sie, und selbst im dämmrigen Licht konnte sie sehen, wie scharf er sie musterte.
Ihre beiden Amulette waren kein Thema, über das sie gerne sprach. Dass das eine früher einmal ihm gehört hatte, war ihr einfach zu unangenehm. Allein der Gedanke, ein Amulett zu tragen, das einst seine Haut durchbohrt hatte und jetzt ihre, war seltsam.
Die Stille wurde unterbrochen, als er sich langsam zur Tür hin bewegte. Seine Hand schloss sich um den Türknauf, womit zumindest eine ihrer Fragen beantwortet wurde: wie er in den Raum gekommen war. »Am besten ist es wohl, wenn du jetzt ein bisschen schläfst, Victoria«, meinte er. »Ich bin sicher, dass Vioget schon bald wieder da sein wird.«
»Er hat keinen freien Zutritt zu meinem Schlafzimmer«, erklärte sie mit scharfer Stimme. »So sehr er sich das auch wünschen mag.«
»Spüre ich da etwa Unfrieden im Paradies? Spannungen zwischen zwei Liebenden?«
»Sebastian ist
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