Das Buch der Vampire 04 - Brennendes Zwielicht
hat … Und ich mag den Geschmack eines Venators … auch wenn er durchsetzt ist mit Beauregards Blut.«
Victoria versuchte sie abzuwehren, schwang dabei sogar drohend ihren Pflock. Doch er wurde ihr aus der Hand geschlagen und fiel klappernd auf den Boden. Er rollte leise davon, während die beiden Wächtervampire sie hochzerrten und wieder vor ihre Herrin schleppten.
»Denken Sie doch mal darüber nach, wie viel leichter es sein wird, wenn Sie nachgeben.« Lilith seufzte wie eine Geliebte an Victorias Wange.
Sie versuchte sich loszureißen, aber noch immer hatte sie einen farbigen Schleier vor den Augen, und der Geruch von Blut und R osen lockte und bestürmte sie.
»Denken Sie doch nur, wie viel einfacher es wäre, wenn Sie nur an sich selbst denken müssten. Nur das tun könnten, was richtig ist für Sie.«
Dieses Mal biss sie Victoria oben in die Schulter, an der Stelle, wo Hals und Schlüsselbein zusammentrafen. Es tat weh, aber fast sofort wurde sie auch von Lust durchdrungen. Heiße, stürmische Lust … die herrliche Berührung von Lippen auf Haut, knochige Finger, die über ihr Haar strichen …
Victoria wurde ganz benommen. Liliths Worte wuchsen ins Unermessliche in ihrem Kopf, zermalmten die R ealität, vernichteten ihr Gewissen. Sie spürte, wie ihr Körper schwächer wurde, der Geruch von Blut ihr ganzes Bewusstsein erfüllte … und der Druck auf ihrer Haut nachließ.
Das Letzte, woran sie sich erinnerte, waren blutverschmierte Lippen, die sich auf ihre legten, dann versank sie in rot glühender Bewusstlosigkeit.
Als sie erwachte, stellte Victoria fest, dass sie wieder auf dem Boden lag. Sie drehte sich auf den Bauch und merkte, dass sie sich etwas benommen fühlte, aber der Schleier vor ihren Augen hatte sich zu einem blassen R osa abgeschwächt.
Langsam stemmte sie sich erst mit den Händen, dann mit den Knien hoch und stützte sich dabei an der Wand ab. Je höher sie kam, desto weniger schimmerte der Raum, in ihrem Kopf drehte sich nicht mehr alles, und ihre Kraft kehrte zurück. Der widerliche Geruch von Blut hing nur noch als schwacher Hauch in der Luft und war so leicht, dass sie ihn ignorieren konnte.
Sie drehte sich langsam um, sodass sie das Zimmer überblicken konnte. Dabei rechnete sie eigentlich damit, eine sie mit lachenden Augen beobachtende Lilith auf ihrem Thron sitzen zu sehen.
Aber der Thron war verwaist.
Der Raum war leer bis auf einen einzigen Wächtervampir, der an der Tür stand. Er sah sie aus rosaroten Augen an, während sich seine Lippen zu einem lüsternen Lächeln verzogen, das seine Eckzähne entblößte.
Victoria machte eine schnelle Bestandsaufnahme des Raumes und erspähte ihren Pflock nicht weit von dem Stuhl, auf dem sie gesessen hatte. Sie tat so, als würde sie den Vampir nicht bemerken. Ihr Verstand arbeitete jetzt wieder, und sie achtete darauf, dass ihre Gedanken nicht abschweiften, damit sie ihre Flucht planen konnte.
Sie tat so, als wäre sie immer noch vollkommen geschwächt und taumelte, als sie sich in Richtung des Pflocks bewegte, um sich dann auf ihn fallen zu lassen. Das schlanke Stück Holz in der Hand gab ihr wieder Kraft, und sie wartete, während sie tief ein- und ausatmete, so wie Kritanu es ihr beigebracht hatte. Ein und aus … ein und aus.
Sie tastete nach den vis bullae , die ihr bisher mehr Kraft gegeben hatten, als man hätte erwarten sollen. Das kühle Silber, das auf der einen Seite warm war von ihrer Haut, ließ Kraft durch ihren Körper strömen, und Victoria wusste, dass sie bereit war. Mit dem in den Falten ihres Kleides verborgenen Pflock setzte sie ihren Plan in die Tat um.
Sie stemmte sich mühsam wieder hoch, als hätte sie große Schmerzen. Dann taumelte sie langsam, wie ziellos, aber doch zielstrebig auf den Wächtervampir zu. Unter gesenkten Lidern sah sie, dass er sie beobachtete; aber es lag eher Erheiterung in seinem Blick denn Vorsicht.
Was für ein Narr.
Als sie ihn fast erreicht hatte und nur dadurch einen Sturz verhinderte, dass sie sich neben ihm an der kalten, rauen Wand abstützte, kicherte er kurz. Bevor er wieder Luft holen konnte, sprang sie mit dem Pflock in der Hand auf.
Er hatte gerade noch Zeit, um überrascht den Mund aufzureißen und einen Arm zu heben, als ihm die tödliche Waffe auch schon in die Brust gestoßen wurde. Der Pflock war schmal, aber kräftig genug, um das dicke Hemd, das er trug, zu durchdringen.
Er riss die roten Augen weit auf, ehe er zu Asche und Staub zerfiel.
Verstohlen
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