Das Buch der Vampire 05 - Sanfte Finsternis
sollte jetzt jeder von uns einen Ring nehmen«, sagte Victoria ruhig. »Denn wir wollen auf keinen Fall, dass jemand wieder alle fünf in die Finger bekommt und dann den Zauberbann des Teiches brechen kann.«
Sebastian stimmte ihr von ganzem Herzen zu und legte die Finger um den Ring am Daumen. Aber er rührte sich nicht. Kein bisschen.
»Was zum Teufel ist das denn?«, murmelte er. Er versuchte, einen anderen Ring abzuziehen, jenen, der ihm am lockersten erschien. Aber auch der bewegte sich nicht, er ließ sich noch nicht einmal am Finger drehen.
Die Ringe waren fest mit seiner Haut verbunden.
Max lehnte an der Wand, deren seidene Wandbehänge den rauen Fels darunter bedeckten. Er drückte die Stirn gegen den Stoff und spürte, wie ihm der Schweiß über den Rücken rann.
Oder vielleicht war es auch Blut.
Er hatte den Uberblick verloren und sich lieber in einen Strudel der Erinnerungen hineinziehen lassen, als die Wirklichkeit zu akzeptieren.
»Jetzt komm, Maximilian«, erklang die verhasste Stimme. »Gesell dich zu mir. Du musst hungrig sein.«
Kapitel 18
Die Wege trennen sich
Sie hatte ihn noch nicht gebissen.
Hungrig? Essen war das Letzte, was er jetzt im Sinn hatte.
Er wollte nur frische, kühle Luft. Und eine andere Farbe als Rot. Alles, nur keine Wärme und diesen süßlichen Duft von Rosen. Und das Gefühl ihrer Hände auf seiner Haut.
Die Handschellen klirrten, als sie ihn von der Wand weg zu sich zog. Er wehrte sich zwar nicht dagegen, aber er ließ sich beim Gehen Zeit.
Max hatte gelernt, wann es Zeit war zu kämpfen und wann man sich besser unterwarf. Solange sie belustigt war und sich nicht über seine Macht und Stärke ärgerte, hatte er eine Chance. Es war ein labiles Gleichgewicht.
Das Problem an der Geschichte war, dass er nicht wusste, wie lange er dieses Spiel mitmachen musste. Er könnte es jederzeit beenden; aber es gab immer noch einen Funken Hoffnung. Hoffnung, die immer wieder von Furcht abgelöst wurde.
Er wollte nicht, dass Victoria herkam... und auf der anderen Seite doch. Und er wusste, dass sie kommen würde.
Es war nur die Frage, wann.
Und ob sie es schaffte.
Er hoffte inständig, dass sie das Richtige tat und zuerst das Portal schloss.
Bitte. Lass nicht alles umsonst gewesen sein.
Lilith bedeutete ihm, sich neben ihr hinzuknien, dann beugte sie sich über ihn und strich mit den Lippen über seinen Hals. Wie jedes Mal verkrampfte sich sein Magen bei dem widerlichen Gefühl einer heißen und einer kalten Lippe, die über seine Haut glitt. Ihre Hände legten sich um seinen Hinterkopf, wobei sie die Finger in sein Haar schob.
»Ich glaube, ich werde dich dein Haar nicht wieder abschneiden lassen«, murmelte sie dicht neben seinem Ohr, während sie an den Spitzen zupfte, die sich an seiner Wange wellten. Er gab sich weiter unbeteiligt, trotz des widerlichen Kribbelns unter seiner Haut. »Ich mag es lang. Wir werden es ein bisschen wachsen lassen.«
Das war ein gutes Zeichen. Sie hatte also nicht vor, ihn in allzu naher Zukunft umzuwandeln. Zumindest nicht, bevor sein Haar eine bestimmte Länge erreicht hatte.
Dem Himmel sei Dank, dass das Haar und die Nägel von Untoten nicht wuchsen.
»Du denkst, sie wird kommen, um dich zu holen«, meinte Lilith in umgänglichem Ton, während ihre Fingerspitzen über seine Brust strichen. Sie vermied den Kontakt mit der vis bulla und hatte ihn gezwungen, das Kruzifix, das er um den Hals getragen hatte, abzulegen.
Sein einziger verbleibender Schutz war die vis und die vier kleinen Fläschchen mit Weihwasser, die er in seinen Absätzen versteckt hatte. Die Stiefel standen an der Wand, neben der Lagerstatt, auf der er schlief. Er hatte noch nicht auf sie zurückgreifen müssen, doch sobald sie ihn biss, würde er es tun.
»Sie ist Illa Gardella, und es gibt andere Aufgaben, um die sie sich zu kümmern hat«, erwiderte er gelassen. »Im Gegensatz zu dir hat sie sich voll und ganz ihrem Auftrag verschrieben, ihre Rasse — die Menschheit — zu schützen.«
Plötzlich bohrte sie ihre Nägel in seinen Rücken und riss die Hand nach unten. Eine kleine Warnung. Er fügte sich, indem er ein leises Stöhnen ausstieß, denn er wusste, es würde ihr gefallen, dass sie ihm Schmerzen zugefügt hatte.
»Warum bist du so brutal und gibst so schneidende Bemerkungen von dir? Kannst du denn dein Schicksal nicht hinnehmen?«, fragte sie.
Jetzt war er sicher, dass das, was da seinen Rücken hinunterlief, Blut war. Lilith nahm etwas davon
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