Das Buch der Vampire 05 - Sanfte Finsternis
mit den Fingern auf und führte ihre Hand geziert an den Mund, um dann jeden Finger einzeln abzulecken, als hätte sie gerade eine Sahnetorte gegessen.
Plötzlich fuhr sie herum und schaute ihn aus schmalen Augen an. »Was ist das?«, fragte sie, und Wut loderte in ihren blau umkränzten roten Augen. Ihre Lippen wurden schmal.
»Dann schmeckst du es also?«, fragte er und rückte von ihr ab. »Hast du wirklich gedacht, ich würde unvorbereitet herkommen?«
»Was ist es?«, fragte sie wieder, während ihre Augen größer wurden und die Adern in ihrem Gesicht als blaue Linien hervortraten.
»Das Blut eines frisch geweihten Venators«, erwiderte er. »Ich habe reichlich Weihwasser vor und nach der Prüfung getrunken, und es ist immer noch in meinem Blut.«
Sie zischte ihn mit mittlerweile unglaublich roten Augen und gebleckten Fangzähnen an, doch dann wich ihre Wut einem Lächeln, dass ihn mehr beunruhigte als ihr Zorn. Der Tod wäre so viel einfacher.
»Wirklich, Maximilian, mein Schatz, du überraschst mich immer wieder. Ich frage mich, ob es in den nächsten Jahrhunderten auch so sein wird... oder ob du irgendwann anfängst, mich zu langweilen.«
Sie zog ihn näher und hängte ein Glied seiner Kette hoch an die Wand, sodass er sich nicht wegbewegen konnte.
»Das heißt also, dass ich mich erst an dir laben kann, wenn dein Blut nicht mehr mit Weihwasser versetzt ist. Wie klug von dir, solch eine Vorfreude bei mir zu schüren.« Ihre kühlen, skelettartigen Finger legten sich um seine Schultern und glitten
dann über seine Armmuskeln. »Es gibt viele andere Möglichkeiten, sich die Zeit bis dahin zu vertreiben, mein Liebster.«
Und so setzte sich der zweite Tag seiner Gefangenschaft fort.
Plötzlich aus dem Schlaf gerissen, saß Sebastian senkrecht im Bett.
Schweiß strömte an ihm herab... teils wegen des strahlenden Sonnenscheins, der durch das Fenster der Gastwirtschaft strömte, teils wegen des Traumes, dessen Nachwirkungen sein Herz immer noch wie wild schlagen ließen, sodass er die Finger in das Bettlaken krallte.
Gütiger Himmel, würde das denn nie aufhören?
In letzter Zeit waren die Alpträume klarer und noch viel drängender. Er schüttelte den Kopf, um die Bilder von Giulia zu verdrängen, die ihn anflehte, sie zu retten, und holte mit geschlossenen Augen tief Luft. Was sollte er tun?
Unwillkürlich fragte er sich, ob sein Traum mit den Ereignissen der letzten Nacht zusammenhing, als er seine beringte Hand in den Teich getaucht und gespürt hatte, wie er in einen Wirbel aus Bildern und Erinnerungen gezogen wurde. Sie hatte ihn noch nie zuvor angefleht, sie zu retten. Erst jetzt.
Bestand denn überhaupt die Möglichkeit dazu?
Gab es irgendetwas, das ihn dazu befähigen würde, nach all den Jahren?
Oder wurde er einfach nur allmählich verrückt?
Wahrend er dalag, gingen ihm Worte und Sätze wie wirre Fäden durch den Kopf. Ein lang gegebenes Versprechen... ein Erlöser.
Die, für die er lebt... werden gerettet.
Er schob die Decke weg, die an seiner verschwitzten Haut klebte, und setzte sich mit pochendem Herzen auf. Brim, der Wache hielt, während die anderen sich ausruhten, sah ihn an.
Sebastian stand auf, wankte ein bisschen und flüsterte: »Leg dich hin. Ich halte jetzt Wache.«
Die Ringe glitzerten an seiner Hand, als er nach dem Wasserkrug griff. Verdammte Ringe. Würden sie jemals wieder abgehen?
Was bedeutete das alles?
Er trank von dem Wasser, das durch die Hitze lauwarm war, und schaute aus dem Fenster. Sie hatten die Kugel gestern Abend gefunden und waren danach sofort aufgebrochen. Bis zum späten Nachmittag dieses Tages waren sie unterwegs gewesen. Die Sonne brannte auch den Rest des Tages heiß vom Himmel, sodass sogar die Nacht warm war und ein ruhiger Schlaf kaum möglich, selbst wenn es ihm gelingen würde, die beklemmenden Bilder zu verdrängen.
Giulias Gesicht verfolgte ihn immer noch, die Worte gingen ihm immer wieder durch den Kopf, als wollten sie sich wie ein Wurm in seinem Gehirn eingraben.
Ein Erlöser, der mit einem großen Makel behaftet ist. Ein lang gegebenes Versprechen.
Wäre Wayren da, würde sie die Worte vielleicht deuten können.
Sebastian schaute wieder aus dem Fenster, und sein Blick schweifte zu dem in der Ferne liegenden Berg. Pesaro, armer Teufel. Wie lange würde es dauern, bis Lilith ihn umgewandelt hatte? Sie würde bestimmt nicht zulassen, dass ihm die Flucht noch einmal gelang, aber er würde dagegen kämpfen.
Keiner verstand das
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