Das Buch der Vampire 05 - Sanfte Finsternis
seine Finger sie unter ihrem Zopf gestreichelt. Die zärtliche Berührung löste ein Kribbeln in ihren Schultern aus, das sich bis in ihre Arme fortsetzte und sie daran erinnerte, dass Sebastian im Gegensatz zu Max keine Probleme mit Nähe hatte.
Zumindest mit ihr nicht.
Als sie den Friedhof verließen, war Sebastian nicht in der Lage gewesen, sich auf den Beinen zu halten. Grund dafür war die tiefe Fleischwunde, die sich von der Hüfte bis zum Knie zog. Trotz des schmerzverzerrten Gesichts hatten seine Augen vor Freude aufgeleuchtet, als sie vorschlug, mit ihm zusammen auf einem Pferd zu reiten, sodass sie ihn beim Galoppieren stützen konnte. Sein Bein blutete immer noch. Beim Reiten hatte sie gemerkt, wie sein warmes Blut ihr linkes Hosenbein durchtränkte.
Die Unbeweglichkeit seines Beins galt allerdings nicht für seine Hände. Diese lagen fest an ihren Hüften, während er sich sanft an ihren wunden Rücken schmiegte.
Max wandte sich ab und ging zu Brim. Er ließ Victoria und Sebastian allein die drei Stufen zur Haustür hinaufsteigen. Oben wartete Kritanu.
Die Sonne schien ganz plötzlich aufzugehen, als blendende Strahlen zwischen Dächern und Schornsteinen auftauchten, als wäre eine Lampe angeknipst worden. Es fiel Victoria schwer zu glauben, dass es nur Stunden her war, seit sie sich für Lady Winnies Tanzabend angezogen hatte und in ihrem roten Kleid genau diese drei Stufen hinabgestiegen war.
Jetzt fühlte es sich so an, als hätten sich viele Dinge in irgendeiner undefinierbaren Weise verändert.
Sobald sie im Haus war, ging Victoria sofort zu Wayren, die sich nicht erhob, als sie den kleinen Raum betrat, obwohl sie sich völlig erholt zu haben schien.
»Danke«, sagte sie zu Victoria und streckte ihre schmalen Hände nach ihr aus.
Victoria ergriff sie und spürte Wärme und innere Ruhe - Gefühle, die sie immer durchströmten, wenn sie Wayren berührte. Sie wusste nicht so viel über die Frau, wie es ihr lieb gewesen wäre. Aber nach dem, was sie durch die Dämonen von ihr gesehen hatte, meinte sie, doch ein bisschen über sie erfahren zu haben. Victoria wies die Dankbarkeit der anderen zurück. »Es war Max, der dich in Sicherheit gebracht hat.«
Wayrens Finger schlossen sich fester um Victorias Hände, und ihre Blicke trafen sich. »Meine Rettung habe ich euch beiden zu verdanken. Du musstest ihn gehen lassen... und er musste gehen.«
Die Röte, die ihr in die Wangen schoss, kam für Victoria ganz unerwartet, und automatisch wollte sie zurückweichen. Ihre Gefühle für Max waren immer noch neu für sie und so tief in ihr vergraben, dass es ihr unangenehm war, wenn so entspannt darüber gesprochen wurde. So offen. Dennoch verstand Wayren, wie schwer es ihr gefallen war, Max fortzuschicken, nicht mehr über ihn wachen zu können... wo sie doch gleichzeitig gewusst hatte, dass er der Einzige war, bei dem sie sich darauf verlassen konnte, dass er Wayren in Sicherheit bringen würde.
»Was ist passiert?«, fragte Victoria und ließ sich mit schmerzendem Körper neben Wayren zu Boden sinken. Es war ihr seltsam zuwider, die Hände der Frau loszulassen, obwohl ihre Muskeln vom Kampf immer noch vor Anspannung zitterten und weh taten. Sie hatte Schmerzen, sie blutete, sie zitterte... doch die vis bullae, ihre Schutzamulette, hatten dafür gesorgt, dass alles nicht so schlimm war, wie es hätte sein können.
»Sie haben mich in einem Moment zu fassen bekommen, in dem ich nicht damit gerechnet hatte«, erzählte Wayren. »Ich war auf einen alten Friedhof gegangen, um dort nach etwas zu sehen. Wahrscheinlich nicht der Friedhof, auf dem du mich gefunden hast. Aber ich bin mir nicht sicher, denn in meinem Kopf ist ein einziges Wirrwarr. Die schwarzen Schatten haben sich auf mich gestürzt, sind in mich hineingeflogen und haben mich geschwächt, sodass ich sie nicht mithilfe meiner Kräfte abwehren konnte.«
Victoria nickte. Sie erinnerte sich daran, was für ein Gefühl es gewesen war, als diese geflügelten Kreaturen in ihren Körper eingedrungen und hindurchgeflogen waren; wie kalt und gelähmt sie sich gefühlt hatte. Ein Schauer lief ihr über den Rücken. Es grenzte an ein Wunder, dass Wayren überlebt hatte.
Allerdings... sie hatte nicht geatmet, als Victoria sie fand. Es war kein Herzschlag zu spüren gewesen. Trotzdem hatte sie sich bewegt und lebte immer noch.
»Max hat mir erzählt, wie ihr mich gefunden habt. Gott sei gedankt für Myza.« Wayren blickte zu Kritanu, und Victoria bemerkte
Weitere Kostenlose Bücher