Das Buch der Vampire 05 - Sanfte Finsternis
»Wayren«, sagte er zur Begrüßung.
Sie lächelte ihn an, aber an der Art, wie er die Lippen auf-einanderpresste, erkannte Victoria, dass auch er bemerkte, dass ihre äußere Gelassenheit Risse bekommen hatte. »Ich habe Victoria gerade gesagt, dass die Dämonen, mit denen wir es hier und auch in Paris zu tun haben, durch das Midiversum-Portal in unsere Welt gelangen. Es befindet sich in den Bergen Rumäniens«, sagte sie, während sie mit einem Finger über den festen Bogen fuhr. »Und...« Dann wurde ihre Stimme leiser und verklang schließlich ganz, als sie sich in das vertiefte, was sie gerade las.
»Und sie haben es auf Wayren abgesehen«, führte Victoria den Satz für sie zu Ende. »Vielleicht auch auf andere, aber auf jeden Fall auf Wayren.«
»Bist du heute wieder beim Friedhof gewesen?«, fragte er sie scharf.
Victoria schüttelte den Kopf. »Ich wollte, aber...«
»Ich war dort. Da ist nichts mehr.«
»Du warst allein dort?«
Sein Mund wurde zu einem schmalen Strich. »Am helllichten Tag, Victoria. Nicht einmal ich bin am helllichten Tag in Gefahr.«
Alle schwiegen, und die Spannungen, die zwischen ihnen herrschten, waren deutlich zu spüren. Die letzten Worte, die er bei ihr im Schlafzimmer an sie gerichtet hatte, waren voller Wut und Verzweiflung gewesen, unterstrichen vom Zuknallen der Tür. Er hatte sich wie erwartet verhalten, und im Grunde hatte sie es vorausgesehen; aber es war unvernünftig, ihre Pläne vor ihm zu verheimlichen.
Wenn er wusste, dass sie sich auf die Jagd nach Lilith machte, würde ihn das entweder dazu bringen mitzukommen, oder er würde dafür sorgen wollen, dass sie in London blieb... und sie sonst wie beschäftigen. Doch egal, wie er sich entschied, sie würden zusammen sein, und sie hätte die Möglichkeit, die abwehrende Haltung, die er gegen sie eingenommen hatte, zu durchbrechen.
Aber tief in ihrem Herzen wusste sie, dass Max nie ganz frei sein würde, solange es Lilith gab.
Natürlich musste sie alle Pläne aufschieben, die Vampirkönigin ausfindig zu machen, bis die Dämonen unter Kontrolle gebracht waren. Wayrens Sicherheit war von höchster Bedeutung.
»Ja«, sagte Wayren und unterbrach das spannungsgeladene Schweigen, als sie von ihrem Text aufschaute, »es ist so, wie ich befürchtet habe. Es muss so sein. Das Portal wurde entweder aufgebrochen oder irgendwie geöffnet; denn diese Art von Dämonen konnten den Schutzwall, der dafür sorgte, dass sie in der Hölle bleiben, nur durch diesen Zugang überwinden.«
»Wie können wir ihn wieder verschließen?«, fragte Victoria.
»Ich glaube... es gibt einen Kristall... eine Kugel...« Wieder wurde Wayrens Stimme immer leiser, während sie die Augen schloss und kleine Fältchen zwischen ihren zarten Brauen erschienen. Dann griff sie blindlings in ihren abgenutzten Beutel und wühlte darin herum, wobei sich ihre Lippen bewegten, ohne dass ein Ton aus ihrem Munde kam. Nach einer Weile hörte sie auf zu kramen und zog ein kleines Buch hervor, das kaum größer als Max' Handfläche war.
»Es muss hier drin sein«, murmelte sie und blätterte durch die spröden Seiten. Victoria sah Schriftzeichen einer Sprache, die sie nicht kannte, sowie Zeichnungen, Flecken und Tintenkleckse auf den vergilbten Seiten. »Ja, es ist so, wie ich mir gedacht habe.« Sie nahm ihre Brille ab und klappte sie auf dem geöffneten Buch zusammen. »Es gibt einen Kristall, Tacheds Kugel, mit dessen Hilfe das Portal versiegelt werden kann.«
»Weißt du, wo er sich befindet?«, fragte Max.
»Die Kugel liegt in einem Teich am Fuße des Muntii Fagaras — in der Nähe von Liliths Versteck.« Sie warf Max einen kurzen Blick zu, und Victoria erinnerte sich erschrocken daran, dass er freiwillig - und vielleicht auch unfreiwillig — dorthin gegangen war.
»Allerdings liegt über dem Teich ein Zauberbann«, erklärte Wayren weiter. »Man kann also nicht einfach hineingreifen und die Kugel herausholen.«
»Aber wenn wir die Kugel haben, können wir damit das Portal verschließen? Und wie?«
»Gibt es denn keine andere Möglichkeit, den Zugang zu versiegeln?«
Max und Victoria sprachen gleichzeitig, verstummten dann und schauten Wayren an.
»Ich kenne keine andere Möglichkeit, das Portal zu verschließen«, erwiderte sie, »aber ich werde weitersuchen. Zeit ist kostbar; denn je länger das Portal offen steht, desto mehr Dämonen kommen in diese Welt, und desto schwächer werden wir.«
»Und desto größer die Gefahr, in der du schwebst«,
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