Das Buch der Vampire 05 - Sanfte Finsternis
hatte Angst, die Augen zu öffnen und sich dem zu stellen, was auch immer die Folge der vergangenen Nacht sein würde. Das letzte Mal - das einzige andere Mal —, als sie und Max so miteinander zusammen gewesen waren, hatte sie sich einem Mann gegenübergesehen, der voller Bedauern gewesen war und dem man die blanke Furcht vom Gesicht hatte ablesen können.
Sie hatte nicht das Gefühl, das noch einmal ertragen zu können.
Sie hatte nicht das Gefühl, dass ihr Herz dazu in der Lage wäre.
Als es an der Tür klopfte, riss sie die Augen auf, obwohl sie das doch gar nicht hatte tun wollen; doch ehe sie auf das Klopfen reagieren konnte, drehte sich auch schon der Knauf, und die Tür ging langsam auf.
Hinter ihr im Bett knurrte Max: »Raus«, und Victoria sah, dass die Tür einen kleinen Ruck nach vorn machte — als wäre jemand vor Überraschung zusammengezuckt —, um dann gleich darauf zugeschlagen zu werden, als hätte sich dieselbe Person zu Tode erschrocken. Sie unterdrückte ein Kichern. Das würde Verbena Gesprächsstoff für die nächsten Wochen geben.
Sie holte tief Luft und drehte den Kopf zu Max, der sie aus dunklen Augen musterte.
»Guten Morgen, Jane«, sagte er. Seine Mundwinkel zuckten leicht.
Kein Bedauern. Keine Furcht. Eher fast schon ein Anflug von... Erheiterung? Victoria spürte, wie Freude in ihr aufstieg. »Guten Morgen. Steht ein Fuß schon auf dem Boden, um gleich davonzustürzen?« Sie schlug einen bewusst gelassenen Tonfall an, merkte aber, dass sie den Atem anhielt.
»Gibt es einen Grund, warum ich davonstürzen sollte? Die Rückkehr eines Ehemannes oder Liebhabers vielleicht?«, fragte er leichthin... trotzdem... trotzdem... nahm sie eine leichte Anspannung wahr. Zwar nur ganz schwach, aber doch nicht zu überhören.
»Nein.« Sie setzte sich auf. Die Decke rutschte nach unten und ließ seinen Blick — und seine Finger — zu ihrem nackten Busen gleiten. »Max«, hauchte sie, als seine langen, eleganten Finger zart über ihre Haut strichen, »ich will, dass du weißt, dass es mit Sebastian nie so war. Was ich damit sagen will, ist, dass er... dass wir nie nebeneinander geschlafen haben. Nie miteinander aufgewacht sind. Es war immer viel... verstohlener mit Sebastian.«
»Hmm«, meinte Max in einem ihm völlig unähnlichen Tonfall, »sollte ich jetzt beleidigt sein, weil du dich nach dieser Nacht trotzdem immer noch an seinen Namen erinnerst?«
Doch dann wich das amüsierte Funkeln aus seinen Augen, und seine Miene wurde ernst. »Ich ziehe es eigentlich vor, nicht darüber nachzudenken, was zwischen euch war oder nicht war.«
»Da war nichts«, erwiderte Victoria und bemerkte dabei, wie strahlend weiß die Bettwäsche gegen seine dunkle Haut aussah, »das mit dem vergleichbar wäre, was letzte Nacht zwischen uns gewesen ist.«
»Nichts?«
»Nun ja, vielleicht waren ein paar Techniken ähnlich«, erwiderte sie mit leichtem Schuldbewusstsein. Es war weit mehr als bloße Technik mit Sebastian gewesen. Aber sie hatte sich hinterher nie so befriedigt, so zufrieden... so erfüllt gefühlt wie jetzt.
Max glitt aus dem Bett, und Victoria drehte sich um, um seinen großen, anmutigen Körper anzusehen. Die silberne vis bulla hing immer noch an seiner Brustwarze, und sie erinnerte sich plötzlich sehr deutlich daran, wie das glatte, warme Metall in der letzten Nacht an ihren Zähnen geklickt hatte, dachte an die Woge von Kraft, von der sie dabei durchströmt worden war. Mmm.
Doch als sie Max' suchenden Blick durchs Zimmer Schweifen sah, unterdrückte Victoria ein Lächeln. Sie war schließlich verheiratet gewesen und wusste also um die morgendlichen Bedürfnisse eines Mannes, deshalb schickte sie Max ins Ankleidezimmer nebenan, wo der Nachttopf stand.
Sie nutzte den Moment des Alleinseins, während er im anderen Zimmer war, um sich um ihre eigenen Bedürfnisse zu kümmern. Dabei fragte Victoria sich nicht zum ersten Mal, was den Sinneswandel bei ihm ausgelöst hatte. Nicht dass sie sich während der Nacht oder am Morgen viel Gedanken darüber gemacht hätte. Aber irgendwie beschäftigte es sie schon.
Monatelang hatte er versucht, sie Sebastian in die Arme zu treiben. Letzte Nacht hatte er vorgehabt zu gehen, und Victoria gab sich keinen Illusionen darüber hin, dass er irgendwann zurückgekommen wäre.
Aber sie hatte dann wohl irgendetwas gesagt, das ihn seine Meinung hatte ändern lassen, denn Victoria wusste, dass es nicht allein am rosa Nachthemd gelegen haben konnte. Sie hatte
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