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Das Buch der verschollenen Geschichten - Teil 1 & Teil 2

Das Buch der verschollenen Geschichten - Teil 1 & Teil 2

Titel: Das Buch der verschollenen Geschichten - Teil 1 & Teil 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J.R.R. Tolkien
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Reichtümer und das lächelnde Antlitz der lieblichen Ebenen ringsum, und ihre Verwüstung zerriss ihm das Herz. Mit ihm war Yavanna, Erd-Königin, und sie hatte mit den Göttern gejagt und war ermattet, Vána und Nessa aber weinten wie junge Mädchen noch immer an den Quellen des goldenen Kulullin.
    Einzig Ulmo kam nicht zu den Bäumen, sondern ging hinab zum Gestade von Eldamar, und dort stand er und spähte in die Düsternis weit hinaus aufs Meer. Und oft ließ er seine allmächtige Stimme erschallen, als wollte er die säumigen Kinder an die Brust der Götter zurückrufen, und zuweilen spielte er auf seinen Zaubermuscheln eine tiefe, sehnsuchtsvolle Musik. Für ihn nämlich, und vielleicht noch für Varda, Herrin der Sterne, war der Weggang der Gnomen ein größerer Kummer als selbst die Zerstörung der Bäume. Vor Zeiten hatte Ulmo die Solosimpi herzlich geliebt, doch als er von ihrer Ermordung durch die Gnomen erfuhr, bekümmerte es ihn zwar, doch kein Zorn verhärtete sein Herz, denn Ulmo konnte tiefer in die Zukunft blicken als die anderen Götter, den mächtigen Manwe eingeschlossen, und von ungefähr sah er viele der Dinge, die aus dieser Flucht entspringen würden, das furchtbare Leid derunseligen Noldoli in der Welt, die Qualen, mit denen sie das Blut von Kópas würden büßen müssen, und er wollte nicht, dass dies geschehe.
    Als sie nun alle auf diese Weise zusammengekommen waren, da sprach Manwe zu ihnen von den Neuigkeiten Soronturs, und warum die Jagd erfolglos geblieben war; doch zu dieser Zeit fühlten sich die Götter in der Düsternis unbehaglich und wussten wenig zu raten, und jeder suchte sein Heim oder die Orte einstiger Freude auf, die nun dahin war, und saß dort stumm und in dunkles Grübeln versunken. Doch einige zog es immer wieder hinaus auf die Ebene, wo sie sehnsuchtsvoll die verwelkten Bäume betrachteten, als ob deren verdorrte Zweige eines Tages in neuem Licht ersprießen würden; aber das geschah nicht, und Valinor war voller Schatten und Dämmerung, und die Elben weinten und waren nicht zu trösten, und die Noldoli erfuhren schweres Leid in den nördlichen Landen.
    Lange Zeit danach erst ging den Göttern in ihrem Kummer und ihrer Mattigkeit zur Gänze auf, dass das Licht für immer aus Valinor verschwunden war und dass die Bäume nie mehr zu den ihnen bestimmten Zeiten blühen würden. Nur das Licht der Sterne war geblieben, als ein Schimmer, der den Springquell Kulullin umspielte, oder als ein mattes Leuchten nahe der tiefen Telimpe, 7 dem Fass der Träume. Doch selbst diese waren matt und trübe, denn die Bäume brachten keinen Tau mehr hervor, um sie aufs Neue zu füllen.
    Darum macht sich Vána auf und sucht Lórien, und mit ihnen gehen Urwendi und Silmo 8 und viele der Vali und Elben; und in großen Gefäßen sammeln sie viel Licht von Gold und Silber und ziehen betrübt zu den zerstörten Bäumen. Dort, am Wurzelstock von Silpion, singt Lórien sehnsuchtsvolle Lieder voller Magie und Verzauberung und wässert die Wurzeln mit dem Glanz Telimpes; und dies war verschwenderisch, wennauch ein kleiner Vorrat davon in den Wohnungen der Götter zurückblieb. Auch Vána verfährt so, und sie singt alte goldene Lieder von den glücklicheren Tagen, und sie bittet ihre Jungfrauen, ihre lichten Tänze zu tanzen, so wie sie es gewohnt waren, auf dem Rasen der Rosengärten nahe Kulullin zu tanzen, und währenddessen übergoss sie Laurelins Wurzeln mit einem Schwall aus ihren goldenen Krügen.
    Doch alle ihre Gesänge und Zauberkünste fruchten nichts, und obgleich die Wurzeln der Bäume alles Licht nach Kräften einzusaugen scheinen, können die Götter keine Regung erneuerten Lebens, nicht den schwächsten Lichtschimmer entdecken; kein vertrocknetes Blatt erglänzt vor Saft, und keine Blüte hebt ihren schlaffen Stengel. Wahrlich, in der Raserei ihres Kummers hätten sie die letzten verbliebenen Vorräte an Helligkeit ausgegossen, welche die Götter zurückhielten, wären sie nicht durch einen glücklichen Zufall in diesem Augenblick von Manwe und Aule überrascht worden, die, durch ihren Gesang in der Düsternis angelockt, herbeikamen, ihnen Einhalt geboten und sagten: ›Höre, o Vána, und du, o Lórien, wozu diese Unbesonnenheit? Und warum habt ihr euch nicht zuerst mit euren Brüdern beraten? Wisst ihr denn nicht, dass jenes Licht, das ihr hier achtlos vergeudet, kostbarer geworden ist als alle Dinge, welche die Welt enthält? Und wenn es durch Zufall verlorengeht, kann alle

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