Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Buch der verschollenen Geschichten - Teil 1 & Teil 2

Das Buch der verschollenen Geschichten - Teil 1 & Teil 2

Titel: Das Buch der verschollenen Geschichten - Teil 1 & Teil 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J.R.R. Tolkien
Vom Netzwerk:
Feuchtigkeit überzogen, und ihre Unterseiten waren weiß und mit matt schimmernden Fasern durchsetzt. Auch Blütenknospen waren auf dem Zweig, die sich öffneten, doch ein dunklerNebel vom Meer sammelte sich um den Baum, die Luft wurde bitterkalt wie nie zuvor in Valinor, und die Blüten verwelkten, fielen ab, und niemand gab auf sie acht. Eine einzige nur am Ende des Zweiges widerstand, die aus sich selbst leuchtete, und weder Nebel noch Kälte konnten ihr etwas anhaben, ja, während sie wuchs, schien sie die Dünste einzusaugen und sie unmerklich in jenen silbernen Stoff zu verwandeln, aus dem sie selbst bestand; und sie wuchs, bis sie zu einer sehr fahlen und wunderbar gleißenden Blume geworden war, und nicht einmal der reinste Schnee auf Taniquetil, der im Licht Silpions glitzerte, kam ihr gleich, und ihr Inneres war eine weiße Flamme, die züngelte und auf wunderbare Weise wuchs und wieder abnahm. Da sagte Lórien, überquellende Freude im Herzen: ›Seht, die Rose von Silpion!‹ Und diese Rose wuchs, bis sie fast so groß war wie die Frucht von Laurelin, und zehntausend Blütenblätter setzten sie zusammen, und sie war mit honigduftendem Tau getränkt, und dieser Tau war Licht. Lórien wollte nun niemandem gestatten, sich ihr zu nähern, und dies wird er immer bereuen: Denn der Zweig, der die Rose hielt, verströmte seinen ganzen Saft und verwelkte; doch nicht einmal jetzt wollte er zulassen, dass die Rose behutsam gepflückt würde, denn er war von ihrer Lieblichkeit bezaubert, und es verlangte ihn, sie größer werden zu sehen als die Frucht des Mittags, ja prächtiger als die Sonne.
    Da brach der verdorrte Zweig, und die Rose von Silpion fiel, und ein wenig von ihrem tauigen Licht wurde grob von ihr abgeschüttelt, und hier und da wurde ein Blütenblatt zerdrückt und beschmutzt; Lórien stieß einen lauten Schrei aus und wollte sie vorsichtig hochheben, doch sie war zu schwer. Darum sandten die Götter Männer zu Aules Hallen, denn dort war eine große Silberplatte, wie ein Tisch für Riesen, und darauf setzten sie die letzte Blüte von Silpion, und trotz ihrerBeschädigung waren ihre Pracht, ihr Duft und blasser Zauber in der Tat sehr groß.
    Als nun Lórien seinen Kummer und seine Reue überwunden hatte, gab er jenen Rat, den Ulmos Worte in seinem Herzen hervorgerufen hatten: als Gegenstück zur Galeone der Sonne sollten die Götter ein zweites Schiff bauen. ›Und es soll aus der Rose von Silpion gemacht werden‹, sagte er, ›und zur Erinnerung an das Blühen und Welken dieser Bäume soll das Sonnenschiff zwölf Stunden lang Valinor verlassen und über den Himmel segeln, und für zwölf Stunden soll Silpions Silberbarke in die Himmel steigen, und so wird es Ruhe geben für müde Augen und ermattete Herzen.‹
    Auf diese Weise wurde dann der Mond geschaffen. Aule indessen, der die Lieblichkeit der Rose aus Silber nicht zerstören wollte, rief vielmehr gewisse Eldar seines Hauses zu sich, die aus der Sippe der alten Noldoli waren 14 und mit den Gemmenschneidern zusammengearbeitet hatten. Diese übergaben ihm viele Schätze an Kristallen und feinen Gläsern, die Feanor und seine Söhne 15 an verborgenen Plätzen in Sirnúmen aufbewahrt hatten. Und diese Elben halfen ihm; und auch Varda von den Sternen, die so viel vom Licht ihrer eigenen zerbrechlichen Boote spendete, dass es Aules Werk flüssige Klarheit verlieh. Und so schuf Aule einen Stoff, dünn wie das Blütenblatt einer Rose, klar wie das durchsichtigste elbische Glas und sehr glatt, doch konnte Aule ihn durch seine Geschicklichkeit biegen und formen, und er gab ihm den Namen virin . Aus virin verfertigte er nunmehr ein wunderbares Gefäß, das die Menschen oft das Schiff des Mondes genannt haben, doch ist es kaum einem Fahrzeug ähnlich, das jemals Meer oder Lüfte durchfahren hat. Es war eher wie eine Insel aus reinem Glas, wenn auch nicht sehr groß und mit winzigen Seen darin, die von schneeigen Blüten gesäumt wurden, die leuchteten, denn das Wasser dieserTeiche, das ihnen Saft gab, war der Glanz von Telimpe. In der Mitte der schimmernden Insel stand eine Schale, geschmiedet aus dem kristallenen Stoff, den Aule geschaffen hatte, und die Magische Rose wurde hineingesetzt, und der gläserne Boden des Gefäßes funkelte wundervoll, als die Rose in der Schale glänzte. Stäbe aus Eis ragten auf wie luftige Masten, und Segel waren daran befestigt mit dünnen Fäden, die Uinen aus weißen Nebeln und Gischt gesponnen hatte; einige waren

Weitere Kostenlose Bücher