Das Buch der verschollenen Geschichten - Teil 1 & Teil 2
Widersacher Melkos«.
Dies alles scheint nur einen einzigen Schluss zuzulassen: Die Ereignisse, die in der Geschichte von Tinúviel erzählt werden, fanden nach der Großen Schlacht statt; und dies scheint durch die Typoskript-Fassung bestätigt zu werden: Wo es im Manuskript (S. 28) heißt, Melko »versuchte unablässig, Freundschaft und Verkehr zwischen Elben und Menschen zu zerstören«, setzt die zweite Version (S. 76) hinzu: »damit sie die Schlacht der Ungezählten Tränen nicht vergäßen und sich nochmals im Zorn gegen ihn, Melko, erhoben«.
Es ist darum sehr merkwürdig, wenn Veanne am Anfang (nur im Manuskript, S. 20; vgl. S. 75) sagt, sie werde von Dingen berichten, »die sich nach dem Aufgang der Sonne tatsächlich in den Hallen Tinwelints zutrugen, doch lange bevor die unvergessene Schlacht der Ungezählten Tränen geschlagen wurde«. (Danach scheint zwischen den zwei Ereignissen eine erheblich längere Zeitspanne zu liegen als aus den Abrissen zu Gilfanons Geschichte hervorgeht; vgl. Teil 1, S. 387).
Diese Aussage wird später wiederholt (S. 32f.): »es war die Ausgeburt eines bösen Traums, dass irgendein Elb … ohne Begleitung zu den Hallen Melkos ging, selbst in jenen früheren Tagen vor der Schlacht der Ungezählten Tränen, als Melkos Macht noch nicht zur vollen Größe gewachsen war …« Noch merkwürdiger ist es allerdings, dass dieser zweite Satz im Typoskript stehenblieb (S. 79). Folglich finden sich in der Typoskript-Version zwangsläufig zwei widersprüchliche Aussagen:
Melko »suchte unablässig Freundschaft und Verkehr zwischen Elben und Menschen zu zerstören, damit sie die Schlacht der Ungezählten Tränen nicht vergäßen« (S. 76);
»Wenig Liebe gab es zwischen den Wald-Elben und dem Volk von Angband, selbst in jenen Tagen vor der Schlacht der Ungezählten Tränen« (S. 79).
Ein solch radikaler Widerspruch innerhalb eines einzigen Textes ist im höchsten Grade ungewöhnlich und vielleicht in allen Schriften über das Erste Zeitalter einzigartig. Jedoch sehe ich keine Lösungsmöglichkeit; ebenso wenig kann ich die Behauptungen in beiden Versionen erklären, die Ereignisse der Geschichte hätten vor der Schlacht stattgefunden, wo doch in Wirklichkeit alles auf das Gegenteil hindeutet. 8
3. Verschiedenes
Morgoth
Beren nennt Melko »allermächtigster Belcha Morgoth (denn diesen Namen trug Melko bei den Gnomen)« (S. 77). Im Gnomischen Wörterbuch erscheint Belcha als gnomische Entsprechung zu Melko (vgl. Teil 1, S. 412), doch Morgoth wird nicht aufgeführt; tatsächlich taucht der Name in den Verschollenen Geschichten hier zum ersten und einzigen Mal auf. Das Element goth hat nach dem Gnomischen Wörterbuch die Bedeutung ›Krieg, Hader‹; wenn jedoch Morgoth zu dieser Zeit ›Schwarzer Hader‹ bedeutete, ist es vielleicht seltsam, dass Beren den Namen in einer schmeichelnden Anrede verwendet. Eine Namensliste aus den dreißiger Jahren erklärt Morgoth als eine »Verbindung seines Ork-Namens Goth, ›Herr‹ oder ›Meister‹, mit davorgestelltem mor, ›dunkel‹ oder ›schwarz‹«, doch es scheint zweifelhaft, dass diese Etymologie für die frühere Periode Gültigkeit hat. Die Namensliste deutet Gothmog, ›Hauptmann der Balrogs‹, durch dasselbe Ork-Element (›Stimme von Goth‹ = Morgoth), doch in der Namensliste zur Geschichte Der Fall von Gondolin (vgl. unten S. 328) bedeutet Gothmog ›Hader-und-Hass‹ (mog, ›Abneigung, Hass‹, erscheint im Gnomischen Wörterbuch), was die Deutung von Morgoth als ›Schwarzer Hader‹ in der vorliegenden Geschichte stützt. 9
Orks und Balrogs
Trotz des Hinweises auf die »streunenden Scharen von Kobolden und Orks« (S. 27, in der Typoskript-Version belassen) sind die Namen in der Geschichte von Turambar dieselben. In der vorliegenden Geschichte werden die Orks als »widerwärtige Ausgeburten Melkos«bezeichnet (S. 27). In der zweiten Version tauchen auf Wölfen reitende Orks auf (S. 76).
Balrogs (S. 28) sind bereits in den Abrissen zu Gilfanons Geschichte erwähnt (vgl. Teil 1, S. 386); doch sie haben schon in der frühesten der Verschollenen Geschichten, der vom Fall von Gondolin, eine wichtige Rolle gespielt (vgl. unten S. 323).
Tinúviels Lied vom Wachsen
Von den »längsten Dingen auf Erden«, die Tinúviel in ihrem Zauber benannte, sind zwei, »das Schwert von Nan« und der »Hals von Gilim, dem Riesen«, scheinbar gänzlich verschwunden, wenngleich sie auch im Leithian-Lied auftauchen, wo Glend als das Schwert von Nan
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