Das Buch der verschollenen Geschichten - Teil 1 & Teil 2
Hand, und Flinding war neben ihm; und die Orks fielen über die Höhlen her und raubten sie vollständig aus, zerrten alle Menschen heraus, die sich dort versteckt hielten, und alle ihre Habe, ob die versteckten Güter von großem oder kleinem Wert waren. Doch Túrin verwehrte ihnen den Zutritt zu Galwegs Behausung, und er fällte sie reihenweise, bis eine Schar ihrer Bogenschützen, die in einiger Entfernung stand, einen Hagel von Pfeilen auf ihn abschoss. Nun trug Túrin einen Kettenpanzer, wie ihn alle Krieger der Gnomen von jeher schätzten und ihn noch immer tragen, doch dieser wehrte nicht alle bösen Geschosse ab, und er war bereits schwer verletzt, als Flinding plötzlich mit durchbohrtem Auge fiel; und rasch hätte auch Túrin den Tod gefunden – und dadurch wäre ihm ein schlimmeres Schicksal erspart geblieben –, hätte nicht der große Drache, der jetzt auf dem Plan erschien, ihnen befohlen, mit dem Schießen aufzuhören; mit der Kraft seines Atems jedoch vertrieb er Túrin von dem Eingang, und mit der Magie seiner Augen bannte er ihm Hand und Fuß.
Nun sind die Drachen und Würmer die bösartigsten Kreaturen, die Melko geschaffen hat, wenn auch die unbeholfensten, doch sie sind, vielleicht die Balrogs ausgenommen, die stärksten. Große Verschlagenheit und Klugheit sind ihnen eigen, so dass es bei den Menschen lange geheißen hat, wer immer vom Herzen eines Drachen koste, verstünde alle Sprachen der Götter und Menschen oder der Tiere, und seine Ohren könnten das Flüstern Melkos oder der Valar erlauschen, Worte, die er nie zuvor gehört habe. Wenige hat es gegeben, die je eine solche Heldentat vollbracht und einen Drachen getötet haben, und selbst unter diesen Tapferen hatte keiner sich Blut und Leben des Drachen einverleibt, denn es ist wie ein feuriges Gift, das alle tötet, die nicht mit göttlicher Stärke ausgestattet sind. Wie immer es sich verhalten mag, so lieben diese ekelhaften Kreaturen ebenso wie ihr Herr die Lüge und lechzen nach Gold und kostbaren Dingen in rasendem Verlangen, obgleich sie diese weder benutzen noch sich daran erfreuen können.
So kam es, dass dieser lóke (denn so nennen die Eldar die Würmer Melkos) den Orks erlaubte, zu töten, wen immer sie wollten, und alle, die sie fassten, in einer sehr langen und sehr jammervollen Reihe aus Frauen, Mädchen und kleinen Kindern aufzustellen; aber den riesigen Schatz, den sie aus den felsigen Hallen ans Licht gebracht und vor den Türen zu einem Haufen aufgetürmt hatten und der in der Sonne glitzerte, begehrte er für sich selbst und verbot ihnen, ihn auch nur anzurühren; und sie wagten nicht, ihm zu widersprechen, und selbst wenn sie es gewollt hätten, wäre es ihnen nicht möglich gewesen.
Voll Entsetzen stand Failivrin inmitten dieser traurigen Schar, und sie streckte die Arme nach Túrin aus, doch dieser wurde durch den Zauberbann des Drachen festgehalten, denn das Untier hatte wie viele andere seiner Art einen bösen Blick, der Túrins Muskeln gleichsam in Stein verwandelte, denn seinAuge hielt Túrins Blick fest, so dass dessen Wille erstarb und er sich aus eigenem Entschluss nicht rühren, wohl aber sehen und hören konnte.
Darauf verhöhnte Glorund Túrin, dass dieser fast rasend wurde, fragte, warum er denn sein Schwert fortgeworfen und keinen Mut gehabt hätte, es für seine Freunde zu erheben – Túrins Schwert war nämlich aus seinen gefühllosen Fingern geglitten und lag zu seinen Füßen. Da erfüllte unsägliche Qual Túrins Herz, und die Orks verlachten ihn, und einige der Gefangenen schrien ihm Vorwürfe zu. In diesem Augenblick begannen die Orks die Schar der Sklaven wegzutreiben, und Túrins Herz brach bei diesem Anblick, doch er rührte sich nicht; und das bleiche Antlitz Failivrins entschwand, und ihre flehende Stimme drang an sein Ohr: ›O Túrin Mormakil, wo ist dein Herz; o mein Liebster, warum lässt du mich im Stich?‹ Da wurde Túrins Qual so groß, dass selbst der Bann des Drachen sie nicht zügeln konnte, und mit einem lauten Schrei griff er nach dem Schwert zu seinen Füßen und wollte den Drachen damit verwunden, doch dieser blies einen ekligen, heißen Atem gegen ihn, so dass ihm die Sinne schwanden und er zu sterben glaubte.
Lange Zeit danach – die Geschichte sagt nicht, wie viel Zeit verging – kam er zu sich, und er lag vor den Türen und blickte in die Sonne, und sein Haupt ruhte auf einem Haufen Goldes, der dort lag, wie die Plünderer ihn zurückgelassen hatten. Da sagte der
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