Das Buch der verschollenen Geschichten - Teil 1 & Teil 2
konnte seine Liebe nicht unterdrücken. Doch wisset, dass in diesen Tagen der Foalóke zu mächtiger Größe sich mästete, und da er viele Banden von Noldoli und Orks hatte, die ihm untertan waren, gedachte er sein Reich nach allen Seiten auszudehnen. So machten es in diesen Tagen an vielen Orten die Untiere Melkos, errichteten eigene Königreiche des Schreckens, die unter dem unheilvollen Schutz von Melkos Herrschaft gediehen. So kam es denn, dass die Scharen Glorunds das Volk von Tinwelint schwer heimsuchten und dass am Ende einige von ihnen sogar in die Nähe jener Wälder und Lichtungen kamen, denen die Liebe Turambars und seines Volkes galt.
Diese Waldleute indes flohen nicht, sondern setzten sich gegen ihre Feinde tapfer zur Wehr, und der Zorn von Glorund, dem Wurm, war sehr groß, als ihm die Nachricht von einem tapferen Volk von Menschen überbracht wurde, das weit jenseits des Flusses wohnte und das seine Plünderer nicht besiegen konnten. Man sagt, dass er trotz des Scharfsinns seiner üblen Pläne noch nicht wusste, wo Turambar oder Nienóri sich aufhielten; und in der Tat schien in diesen Tagen das Glück Turambar für eine Weile hold zu sein, denn sein Volk wuchs und wurde wohlhabend, und viele Flüchtlinge aus dem fernsten Hisilóme stießen zu ihm, und er sammelte Reichtümer und schöne Dinge, denn alle seine Schlachten brachten ihm Sieg und reiche Beute. Turambar und Níniel wurden wie König und Königin, und es herrschten Gesang und Frohsinn auf denLichtungen ihrer Wohnstätte, und das Glück wohnte in ihren Hallen. Und Níniel ward schwanger. 25
Viele dieser Dinge berichteten Späher dem Foalóke, und seine Wut war furchtbar. Außerdem wurde seine Habgier mächtig entflammt, so dass er nach vielem Grübeln eine Wache, der er trauen konnte, bestimmte, die sein Heim und seinen Schatz behüten sollte, und der Hauptmann dieser Wächter war Mîm, der Zwerg. 26 Darauf verließ er die Höhlen und Plätze seines Schlafs, überquerte die Flüsse und drang in die Wälder ein, und sie loderten auf vor seinem Antlitz. Nachricht davon gelangte hurtig zu Turambar, jedoch dieser sah weder Grund zur Furcht, noch gab er viel auf diese Geschichte, denn sehr weit war der Weg von der Heimat des Waldvolkes zu den Höhlen des Wurms. Doch nun sank Níniels Mut, und ohne dass sie den Grund kannte, spürte sie die Last von Furcht und Kummer auf sich, und selten lachte sie nach dem Eintreffen dieser Nachricht, so dass Turambar sich wunderte und traurig war.
Nun bahnte sich der Foalóke während dieser Zeit seinen Weg durch die tiefen Wälder und ließ eine Schneise der Verwüstung zurück, und weil er sehr langsam vorwärtskroch, verging eine sehr lange Zeit, bis plötzlich eine Schar der Waldleute unvermutet auf den Drachen traf, der zwischen den zersplitterten Bäumen schlief. Einige der Männer wurden von dem verderblichen Atem des Untieres überwältigt und bald darauf getötet; zwei jedoch flohen so rasch sie konnten und brachten ihrem Herrn die Kunde, dass die erste Nachricht kein Gerücht gewesen sei und der Drache nun tatsächlich die Grenzen ihres Reiches überschritten habe; und nachdem sie das gesagt hatten, fielen sie ohnmächtig zu seinen Füßen nieder.
Der Drache lag nun in einer Senke, und nicht weit davon entfernt war ein kleiner Hügel, ringsum von Wald umgeben, doch selbst kaum bewaldet, und von dort konnte man, wennauch aus der Ferne, einen großen Teil der Gegend überblicken, die nun vom Durchzug des Drachen verheert war. Auch einen Fluss gab es dort, der zwischen dem Lagerplatz des Drachen und den Wohnstätten der Waldleute durch den Wald floss, doch sein Lauf führte sehr dicht am Drachen vorbei, und es war ein schmaler Fluss mit tief eingeschnittenen Ufern und überhängenden Bäumen. Deshalb fasste Turambar nun den Plan, seine tapfersten Männer mit auf diesen Hügel zu nehmen und, wenn es möglich war, im Verborgenen die Bewegungen des Drachen zu beobachten, um vielleicht, wenn dessen Lage ungünstig war, über ihn herzufallen und ihn zu töten, denn davon erhoffte er sich am meisten. Bei dieser Schar beschränkte sich Turambar auf eine kleine Zahl von Männern, während die übrigen auf sein Geheiß sich bewaffneten und ausschwärmten, denn es stand zu befürchten, dass Scharen von Orks ihrem Herrn, dem Drachen, gefolgt waren. In Wahrheit war dies nicht der Fall, und er war allein gekommen, im Vertrauen auf seine unüberwindliche Kraft.
Als nun Turambar sich zum Abmarsch bereit machte, bat
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