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Das Buch der verschollenen Geschichten - Teil 1 & Teil 2

Das Buch der verschollenen Geschichten - Teil 1 & Teil 2

Titel: Das Buch der verschollenen Geschichten - Teil 1 & Teil 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J.R.R. Tolkien
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überqueren oder einen großen Umweg machen, denn er ist zu groß, um im Flussbett vorwärtszukriechen. Nun, ich glaube nicht, dass er einen Umweg machen wird, denn für den großen Foalóke aus den goldenen Höhlen ist die Schlucht nur ein Graben, eine schmale Furche, gefüllt mit tröpfelndem Wasser. Wenn er sich freilich anders verhält, als ich vermute, und diesen Weg nicht einschlägt, müssen ein paar von euch allen Mut zusammennehmen und suchen, ihn zurück über den Fluss zu locken, damit wir, die dort verborgen liegen, von unten zustechen und ihm den Todesstoß versetzen können, denn am Bauch ist der Panzer dieses abscheulichen Gezüchts nicht viel wert.‹
    Nun fanden sich in der ganzen Schar nur sechs Männer, die bereitwillig vortraten, um mit Turambar zu gehen, und als er das sah, sagte er, er habe gedacht, mehr als sechs tapfere Männer in seinem Volk zu finden, doch danach duldete er nicht, dass einer der anderen sich anschloss, weil, wie er sagte, diese sechs ohne die Last der Ängstlichen wertvoller seien. Darauf nahm Turambar von Níniel Abschied, und oben auf dem Hügel küssten sie sich, und es war spät am Nachmittag, doch Níniels Herz wurde vor Leid wie ein Stein; und die ganze Schar stieg hinab zum Rand der Silberschale, und von dort sah sie ihren Gebieter mit seinen sechs Gefährten zum Grund des Wasserfalls hinunterklettern. Als er nun tief unten verschwunden war, richtete sie bittere Worte an jene, die diesen Gang nicht gewagt hatten, und voller Scham antworteten sie nicht, sondern krochen zur Spitze des Hügels zurück und starrten hinüber zum Lager des Drachen, und Níniel saß am Wasser und sah vor sich nieder, und sie weinte nicht, sondern war voller Qual.
    Niemand harrte bei ihr aus bis auf Tamar, der sich der Schar ungebeten angeschlossen hatte, und seit sie den Fuß über Bethos’ Schwelle gesetzt hatte, war er ihr in Liebe zugetangewesen und hatte einst gedacht, ihr Herz zu gewinnen, bevor es Turambar zufiel. Tamar war seit seiner Kindheit lahm, doch er war klug und gutherzig, wenn er auch beim Waldvolk wenig Achtung genoss, für das Körperkraft Sicherheit bedeutete und Tapferkeit der Männer größter Stolz war. Nun freilich trug Tamar ein Schwert, und viele hatten ihn deshalb verspottet, doch ihn entzückte die Gelegenheit, Níniel zu beschützen, obgleich sie ihn nicht beachtete.
    Nun soll erzählt werden, wie Turambar nach großer Mühsal im felsigen Flussbett den von ihm bestimmten Platz erreichte und mit seinen Männern unter Schwierigkeiten an der steilen Wand der Schlucht emporkletterte. Knapp unterhalb ihres Randes nisteten sie sich in einigen überhängenden Bäumen ein und konnten nicht weit entfernt den gewaltigen Atem des Untieres hören, und einige von Turambars Gefährten beschlich Furcht.
    Die Dunkelheit war bereits hereingebrochen, und während der ganzen Nacht klammerten sie sich dort fest, und vom Lager des Drachen kam ein sonderbares Flackerlicht und schreckliche Geräusche und ein Beben, wenn er sich rührte, und als der Morgen dämmerte, sah Turambar, dass ihm nur noch drei Gefährten geblieben waren, und er verfluchte sie ob ihrer Feigheit, und keine Geschichte erzählt, wohin diese Ungetreuen geflohen sind.
    An diesem Tage verlief alles so, wie Turambar es hatte kommen sehen, denn der Drache raffte sich auf, kroch langsam zum Rande des Abgrunds und wich nicht zur Seite aus, sondern versuchte ihn zu überwinden, um zur Siedlung des Waldvolkes zu gelangen. Überaus entsetzlich war die Gewalt seines Anmarsches, so dass die Erde zitterte und die drei Männer fürchteten, die Wurzeln der Bäume, in denen sie hockten, könnten aus dem Boden gerissen werden und hinab in densteinigen Fluss fallen. Auch die Blätter der Bäume, die in der Nähe wuchsen, schrumpelten unter dem Atem des Untiers, doch die Männer, vom überhängenden Uferrand geschützt, trugen keinen Schaden davon.
    Schließlich kam der Drache zum Rand des Flusses, und der Anblick seines bösartigen Hauptes mit dem triefenden Maul war über die Maßen ekelerregend; und als sie dies so deutlich sahen, packte sie entsetzliche Angst, er könnte sie erspähen, denn er überquerte die Schlucht nicht an jenem Ort, den Turambar wegen der Enge und geringeren Tiefe der Schlucht als Versteck gewählt hatte. Statt dessen begann er nunmehr, sich ein wenig unterhalb über die Schlucht zu schieben, und darum schlüpften Turambar und seine Männer, so geschwind es ihnen möglich war, von ihrem Platz fort, um ins

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