Das Buch der verschollenen Geschichten - Teil 1 & Teil 2
zu den Höhlen des Königs Tinwelint befördern konnte; und man sagt, etwas davon sei zurückgelassen, anderes unterwegs verloren worden, und jene, die es fanden, habe das Unheil auf immer heimgesucht.
Doch endlich langte die schwerbeladene Schar an der Brücke vor den Toren an, und auf die Fragen der Wächter antwortete Úrin: ›Sagt dem König, Úrin der Standhafte sei mit Geschenken gekommen.‹ Und das wurde dem König gemeldet. Darauf ließ Úrin den ganzen ungeheuren Hort vor den König bringen, doch er war geborgen in Säcken oder Truhen aus rohem Holz; und Tinwelint begrüßte Úrin voller Freude und Verwunderung und entbot ihm ein dreifaches Willkommen, und er und sein ganzer Hofstaat erhoben sich zu Ehren dieses Fürsten der Menschen; aber die jahrelange Folter und die Lügen Melkos hatten Úrins Herz verblendet, und er sagte: ›Nein, o König, solche Worte möchte ich nicht hören – du sollst mir vielmehr nur sagen, wo Mavwin, mein Weib, ist und welchen Tod Nienóri, meine Tochter, gestorben ist.‹ Und Tinwelint sagte, er wisse es nicht.
Da erzählte Úrin voll Grimm die ganze Geschichte, und der König und sein Gefolge verhüllten ihre Gesichter in großem Mitleid, aber Úrin sagte: ›Nein, 33 hättest du ein Herz, wie es die Geringsten der Menschen haben, wären sie niemals umgekommen; doch höre, ich bringe dir nun reichlichen Lohn für dieMühen deiner armseligen Schar, die gegen Glorund, den Drachen, auszog und die davonlief und meine Teuren seiner Macht auslieferte. Blicke mit Entzücken, o Tinwelint, auf meine Geschenke, denn die Gier nach Gold ist, wie mir scheint, das Einzige, das dein Herz empfindet.‹
Darauf breiteten seine Männer den Hort zu Füßen des Königs aus, so dass der ganze Hof verblüfft und geblendet war – jedoch Úrins Männer begriffen nun, was geschehen würde, und waren wenig erbaut. ›Weide dich an Glorunds Schatz‹, sagte Úrin, ›erkauft mit Nienóris Tod und dem Blut von Túrin, der den Drachen erschlug. Nimm ihn hin, o feiger König, und freue dich, dass manche Menschen so tapfer sind, dir Reichtümer zu gewinnen.‹
Da waren nun Úrins Worte mehr, als Tinwelint ertragen konnte, und er sagte: ›Was bildest du dir ein, Kind der Menschen, und warum tadelst du mich? 34 Lange habe ich deinen Sohn aufgezogen und ihm seine bösen Taten verziehen, und später habe ich deiner Gemahlin zur Seite gestanden und habe gegen besseres Wissen ihren gefährlichen Wünschen nachgegeben. Es ist Melko, der dich hasst, nicht ich! Doch was kümmert mich das – und warum machst du, Abkömmling der ungehobelten Rasse der Menschen, fortwährend einem König der Eldalie Vorwürfe? Wisse, dass mein Leben in Palisor begann, ungezählte Jahre bevor die ersten Menschen erwachten. Geh mir aus den Augen, o Úrin, denn Melko hat dich verhext, und nimm deine Reichtümer mit dir‹ – doch er verbot, dass Úrin erschlagen oder mit einem Zauberbann belegt werde, denn er vergaß nicht seine frühere Tapferkeit für die Sache der Eldar.
Darauf ging Úrin fort, das Gold aber rührte er nicht an, und vom Alter gebeugt kam er nach Hisilóme und starb unter Menschen, doch seine Worte überlebten ihn und riefen Fremdheit hervor zwischen Elben und Menschen. Doch mansagt, dass nach seinem Tode sein Schatten auf der Suche nach Mavwin in die Wälder fuhr, und lange gingen diese zwei in den Wäldern am Fall der Silberschale um und bejammerten ihre Kinder. Die Elben von Kôr jedoch haben erzählt – und sie müssen es wissen –, dass Úrin und Mavwin schließlich nach Mandos gingen, doch dort war weder Nienóri noch Túrin, ihr Sohn. Turambar nämlich war Nienóri über die schwarzen Pfade zu den Toren von Fui gefolgt, doch weder Fui noch Vefántur wollten ihnen öffnen. Doch nun kam das Flehen Úrins und Mavwins sogar Manwe zu Ohren, und die Götter hatten Erbarmen mit ihrem unglückseligen Schicksal, so dass Turambar und Nienóri ins Fôs’ Almir, das Bad der Flamme, eingehen konnten, wie es vor vielen Zeitaltern vor dem Aufgang der Sonne Urwendi und ihre Jungfrauen getan hatten, und so wurden alle ihre Leiden und Makel abgewaschen, und sie wohnten wie leuchtende Valar unter den Seligen, und nun ist die Liebe zwischen Bruder und Schwester sehr rein; Turambar indes wird bei der Großen Zerstörung neben Fionwe stehen, und Melko und seine Drachen werden das Schwert Mormakils verfluchen.«
Und damit schloss Eltas seine Geschichte, und niemand stellte noch eine Frage.
Anmerkungen
1 Dieser
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