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Das Buch der verschollenen Geschichten - Teil 1 & Teil 2

Das Buch der verschollenen Geschichten - Teil 1 & Teil 2

Titel: Das Buch der verschollenen Geschichten - Teil 1 & Teil 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J.R.R. Tolkien
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habe Úrin alle diese entsetzlichen Ereignisse gesehen, und unablässig wurde er von diesem Ainu dazu verlockt, sich seinem Willen zu unterwerfen, und Úrin blieb standhaft; als aber das Schicksal seinerSippe sich zur Gänze erfüllt hatte, gedachte Melko, sich Úrins auf andere und feinere Weise zu bedienen, und er befreite ihn von jenem hohen, öden Ort in den Bergen, wo er viele Jahre lang in Herzensqualen gesessen hatte. Melko aber ging zu ihm und erzählte ihm schlimme Dinge über die Elben, und insbesondere klagte er Tinwelint 30 wegen Schwäche und Feigheit an. ›Niemals werde ich begreifen‹, sagte er, ›warum es immer noch große und weise Männer gibt, welche der Freundschaft der Elben trauen, und indem sie so töricht sind, sich meiner Macht zu widersetzen, vervielfachen sie ihre Torheit noch und bauen dabei auf die sichere Hilfe von Gnomen oder Elben. Sieh, o Úrin, ohne Tinwelints feiges Herz hätten meine Pläne kaum gelingen können, und vielleicht lebte Níniel noch, und dein Weib Mavwin hätte keine Tränen vergossen und wäre glücklich gewesen, ihren Sohn wiederzuhaben. Deshalb geh, o Narr, und kehre zurück, um in den Hallen deiner gefälligen Freunde das bittere Brot der Almosen zu essen.‹
    Da ging Úrin, gebeugt von Alter und Leid, unbehelligt aus den Reichen Melkos fort und kam in bessere Lande, doch bei jedem Schritt grübelte er über Melkos Worte nach, und das Gespinst der Arglist, darin wahr und falsch verwoben waren, umgarnte seinen aufrechten Sinn, und seine Seele verhärtete sich. Darum sammelte er nun um sich eine Anzahl wilder Elben, 31 die zu einer grausamen und gesetzlosen Schar geworden waren, die nicht bei ihrem Volk lebte, das sie verstoßen hatte, damit es in den Bergen auf eigene Faust lebe oder zugrunde gehe. Einmal nun führte sie Úrin zu den Höhlen der Rodothlim, und fürwahr, beim Tode Glorunds waren die Orks von dort geflüchtet, und nur ein Geschöpf wohnte noch dort, ein alter unglücklicher Zwerg, der fortwährend auf einem Haufen Goldes saß und sich Lieder schwarzer Zauberei vorsang. Doch bis zu diesem Tage war niemand in seine Nähe gekommen, umihn zu berauben, weil der Schrecken des Drachen länger lebte als dieser selbst, und aus Furcht vor dem bloßen Geist Glorunds, des Wurms, hatte sich niemand hierhergewagt. 32 Als nun diese Elben sich näherten, stand der Zwerg vor dem Eingang der Höhle, die einst Galweg bewohnt hatte, und er rief: ›Was erheischt ihr von mir, o Gesetzlose der Berge?‹ Úrin jedoch antwortete: ›Wir sind gekommen, das zu nehmen, was nicht dein ist.‹ Da sagte der Zwerg, dessen Name Mîm war: ›O Úrin, kaum habe ich gedacht, dich so zu sehen, einen Fürsten der Menschen an der Spitze solchen Pöbels. Gib nun wohl acht auf die Worte von Mîm, dem Vaterlosen, zieh deiner Wege und rühre nicht an dieses Gold, das mehr ist als giftiges Feuer. Hat nicht Glorund lange Jahre darauf gelegen, und das Unheil der Drachen Melkos lastet auf ihm, und weder Menschen noch Elben bringt es Heil, sondern nur ich, ich allein, kann es hüten, Mîm, der Zwerg, und durch vielfältigen dunklen Zauber habe ich es an mich gefesselt.‹ Da wurde Úrin unsicher, doch seine Männer waren erzürnt, und also befahl er ihnen, sich des ganzen Goldes zu bemächtigen, und Mîm stand dabei und sah zu und stieß furchtbare, unheilvolle Flüche aus. Da versetzte ihm Úrin einen Hieb und sagte: ›Wir kamen nur, um zu nehmen, was nicht dein war – nun werden wir wegen deiner bösen Worte auch noch das nehmen, was dein ist – dein Leben.‹
    Doch sterbend sagte Mîm zu Úrin: ›Wohlan, Elben und Menschen sollen diese Tat bereuen, und weil Mîm, der Zwerg, starb, soll Tod diesem Golde folgen, so lange es auf Erden ist, und dem kleinsten Teil davon soll dieser Fluch ebenso anhaften wie dem Ganzen.‹ Und Úrin schauderte, doch sein Gefolge lachte.
    Úrin bewog nun seine Gefährten, das Gold zu den Hallen Tinwelints zu tragen, und sie murrten darob, doch er sagte:›Seid ihr geworden wie die Drachen Melkos, die sich am liebsten im Golde wälzen und suhlen und keine andere Freude kennen? Ein angenehmeres Leben werdet ihr haben am Hofe dieses gierigen Königs, wenn ihr ihm diesen Schatz bringt, als alles Gold Valinors es euch in den öden Wäldern bescheren kann.‹
    Nun war sein Herz von Bitterkeit gegen Tinwelint erfüllt, und es verlangte ihn, sich an ihm zu rächen, wie man sehen wird. Dieser Hort war so gewaltig, dass Úrins Schar, so zahlreich sie auch war, ihn kaum

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