Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Buch der verschollenen Geschichten - Teil 1 & Teil 2

Das Buch der verschollenen Geschichten - Teil 1 & Teil 2

Titel: Das Buch der verschollenen Geschichten - Teil 1 & Teil 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J.R.R. Tolkien
Vom Netzwerk:
ihn vor aller Augen und rannte wie ein Besessener davon und rief: ›Er lügt, er lügt!‹; und doch wusste er, nun befreit von Blindheit und Träumen, im tiefsten Herzen, dass es die Wahrheit war und dass sein vorbestimmtes Geschick sich erfüllt hatte.
    So verließ er denn sein Volk, irrte ziellos durch die Wälder, und immer wieder rief er den Namen Níniels, bis die Wälder schauerlich von diesem Wort widerhallten, und sein Weg führte ihn auf Umwegen wieder zu der Lichtung an der Silberschale zurück, und niemand hatte ihm zu folgen gewagt. Dort schien die Sonne des Nachmittags und hört, alle Bäume waren verdorrt, obgleich es noch hoher Sommer war, und in den Blättern knisterte es, als sterbe der Herbst. Verwelkt alle Blumen und Gräser, und die Stimme des fallenden Wassers war trauriger, als beweine es den Tod des weißen Mädchens Nienóri, Tochter Úrins, der hier stattgefunden hatte. Dort stand Turambar schließlich, all seiner Kraft beraubt, und dort zog er sein Schwert und sprach: ›Heil, Gurtholfin, Stab des Todes, der du jedermanns Verderben bist und gern aller MenschenLeben nimmst, der du keinen Herrn und keine Treue kennst, wenn die Hand, die dich führt, nur stark ist, dich allein besitze ich nun – so töte mich denn und beeile dich, denn das Leben ist ein Fluch, und alle meine Tage kriechen ekelhaft dahin, und alle meine Taten sind schändlich, und alles, was ich liebe, ist tot.‹ Und Gurtholfin gab zur Antwort: ›Das will ich mit Freuden tun, denn Blut ist Blut, und vielleicht ist das deine nicht weniger süß als das vieler anderer, das du mich früher trinken ließest.‹ Und Turambar stürzte sich in sein Schwert, und Gurtholfins schwarze Klinge nahm ihm das Leben.
    Später jedoch kamen furchtsam einige aus dem Volk, trugen ihn fort, begruben ihn an einem nahen Platz und errichteten über ihm einen großen Grabhügel. Danach schleppten einige einen mächtigen Felsbrocken mit glatter Oberfläche dorthin, und sonderbare Schriftzeichen wurden darin eingegraben, die Turambar sie in früheren Tagen gelehrt hatte und die er aus den Höhlen der Rodothlim kannte. Und diese Inschrift lautete:
    Turambar, der Glorund, den Drachen, erschlug,
der auch Túrin Mormakil war,
Sohn Úrins aus den Wäldern.
    Und darunter schrieben sie das Wort ›Níniel‹ (oder Kind der Tränen); doch ihr Leichnam lag nicht dort, und niemand wusste auch zu sagen, wohin die Wasser ihre schöne Gestalt getragen hatten.«
    Hierauf nun endigte Eltas seine Geschichte, und mit einem Mal weinten alle, die zuhörten; er jedoch sagte darauf: »Wahrlich, es ist eine Geschichte vom Unglück, denn das Leid ist immer unter den Menschen umgegangen, und das tut es noch, doch in den wilden Tagen wurden schreckliche Dinge vollbracht und erlitten; und gleichwohl hat Melko selten mehrGrausamkeit ersonnen, und ich weiß keine Geschichte, die mehr Mitleid erregte.«
    Nach einer Weile befragten ihn einige nach Mavwin und Úrin und nach den späteren Ereignissen, und er sagte: »Nun, von Mavwin ist kein verlässlicher Bericht überliefert worden, bis auf die Geschichte von Túrin Turambar, ihrem Sohn; viele Dinge sind gesagt worden, und wieder andere unterscheiden sich davon; aber dies kann ich euch sagen, dass nämlich nach jenen furchtbaren Ereignissen das Waldvolk keinen Gefallen mehr an seiner Wohnstatt fand und in andere Täler des Waldes übersiedelte, und doch weilen noch einige traurig in der Nähe ihrer alten Heimat; und einst kam eine wandernde Edelfrau durch die Wälder, und zufällig stieß sie auf den Felsen mit den Schriftzeichen. Einer dieser Waldleute erklärte ihr die Bedeutung der Inschrift, und er erzählte ihr die ganze Geschichte, wie er sie in der Erinnerung hatte – doch sie verstummte, sprach kein Wort und rührte sich nicht. Da sagte er: ›Dein Herz ist schwer, denn dies ist eine Geschichte, um alle Menschen zu Tränen zu rühren.‹ Sie jedoch erwiderte: ›Ja, mein Herz ist wahrlich traurig, denn ich bin Mavwin, dieser beiden Mutter.‹ Und jener Mann begriff, dass diese lange jammervolle Geschichte noch nicht zu Ende war – doch Mavwin stand auf, ging hinaus in die Wälder und schrie vor Qual, und lange Zeit ging sie an diesem Ort um, so dass dieser Mann und sein Volk flüchteten und niemals zurückkehrten; und niemand kann sagen, ob es wirklich Mavwin war, die dorthin kam, oder ihr dunkler Schatten, der wegen ihres großen Unglücks nicht zu Mandos einkehren wollte. 29
    Doch man sagt, durch den Zauber Melkos

Weitere Kostenlose Bücher