Das Buch der verschollenen Geschichten - Teil 1 & Teil 2
die Finsternis durchdringen soll«, ST, S. 46).
Die Reise Tuors und Voronwes nach Gondolin (S. 239–243)
Von Tuors Reise nach Gondolin (abgesehen von seinem Aufenthalt im Land der Weidenbäume) wird in der frühen Fassung wenig erzählt. Voronwe erscheint erst gegen Ende als der einzige Noldo, der genug Mut hat, ihn weiterhin zu begleiten; von Voronwes Geschichte erfahren wir nichts, und er ist kein Elb aus Gondolin.
Es ist bemerkenswert, dass die Noldoli, die Tuor aus dem Land der Weidenbäume nach Norden führten, sich als Sklaven Melkos bezeichnen. Hierzu heißt es in der Geschichte von Tinúviel: »… und alle Eldar machte er [Melko] sich als Sklaven untertan: jene, die im Dunkel zurückblieben, oder auf dem Marsch von Palisor verschollen, und auch jene Noldoli, die ihm auf der Suche nach ihrem geraubten Schatz in die Welt folgten.«
Im Fall von Gondolin dienten die Noldoli Ulmo »im Verborgenen« und waren »aus Furcht vor Melko oft schwankend«, und Voronwe spricht zu Tuor von der »Mühsal der Knechtschaft«; Melko sandte ein Heer von Spähern aus, um »nach der Behausung der Noldoli zu suchen, die seiner Knechtschaft entronnen waren«. Diese »Sklaven-Noldoli« bewegen sich sozusagen frei durchs Land, selbst bis zu den Mündungen des Sirion, doch es waren Wesen, »die wie in einem Angsttraum wandelten und seine verderblichen Gebote befolgten, denn der Zauberbann der abgrundtiefen Furcht lag auf ihnen, und aus der Ferne verspürten sie Melkos glühende Blicke« (Geschichte von Turambar, S. 123). Dieser Ausdruck wird öfter benutzt: Voronwe jubelt in Gondolin, dass Melko ihn nicht mehr durch »lähmendes Entsetzen« fesselt – »fürwahr, jener böse Zauber, den Melko auf die Noldoli ausübte, war der einer abgrundtiefen Furcht, so dass sie ihn immer in der Nähe wähnten, selbst wenn sie den Eisenhöllen fern waren, und ihre Herzen bebten, und sie flohen nicht, selbst wenn sie es konnten« (S. 244). Der Zauberbann der abgrundtiefen Furcht wurde auch auf Meglin gelegt (S. 260).
Es findet sich nur wenig, das nicht mehr oder weniger mit den späteren Erzählungen in Einklang gebracht werden könnte, und inder Tat kann man einen Widerhall in den Worten des Silmarillion (S. 175) vernehmen:
»Am meisten aber fürchteten die Noldor den Verrat derer aus dem eigenen Geschlecht, die in Angband geknechtet worden waren; denn manche von diesen verwandte Morgoth für seine Unheilspläne und schickte sie fort, zum Schein ihnen die Freiheit schenkend, während ihr Wille an den seinen gekettet blieb und sie nur umherirrten, um wieder zu ihm zurückzukehren.«
Der Zugang zu Gondolin, wie er im vorliegenden Text beschrieben wird, hat eine gewisse Ähnlichkeit mit der ausführlicheren und anschaulicheren Schilderung in ST: ein tief eingeschnittenes Flussbett, dichtes Buschwerk, eine Höhlenöffnung – doch der Fluss ist gewiss der Sirion (vgl. den Schluss der Erzählung auf S. 302, wo die Verbannten zum Eingang zurückkommen), und der Eingang zum geheimen Pfad befindet sich in einem der steilen Flussufer; ganz anders in ST, wo das alte Bett des Trockenen Flusses selbst der geheime Pfad ist (ST, S. 63f.). Der lange Tunnel, den Tuor und Voronwe in der Geschichte durchqueren, führt sie am Ende nicht nur zur Wache, sondern auch ans Tageslicht, und sie befinden sich »am Fuß steiler Berge« und können die Stadt sehen. Mit anderen Worten handelt es sich um die einfache Konzeption einer Ebene, einem Ringwall von Bergen und einem Tunnel durch das Gebirge, der in die Außenwelt führt. In ST ist der Zugang zur Stadt komplizierter: Der Tunnel führt zur Schlucht von Orfaich Echor, einem großen Riss in den Umzingelnden Bergen (»die Seitenwände der Schlucht waren so glatt wie mit der Axt behauen«, ST, S. 69), durch welchen die Straße zu den Toren aufstieg, bis man das Siebte Tor erreichte, das den Riss am oberen Ende sperrte. Erst nachdem er dieses Tor durchschritten hatte, konnte Tuor Gondolin sehen.
Es bleibt anzumerken, dass Tuor und Voronwe von der Wache ohne Argwohn und Drohung empfangen werden, anders als in der späteren Geschichte (vgl. ST, S. 66).
Tuor in Gondolin (S. 242–252)
Man vergleiche diese Stelle mit der entsprechenden aus dem Silmarillion (S. 142):
»Hinter dem Ring der Berge aber wuchs und gedieh das Volk, undsie übten ihre Kunstfertigkeit in unermüdlicher Arbeit, so dass Gondolin auf dem Amon Gwareth eine herrliche Stadt wurde, würdig, dass man es selbst mit Tirion jenseits des Meeres verglich.
Weitere Kostenlose Bücher