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Das Buch der verschollenen Geschichten - Teil 1 & Teil 2

Das Buch der verschollenen Geschichten - Teil 1 & Teil 2

Titel: Das Buch der verschollenen Geschichten - Teil 1 & Teil 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J.R.R. Tolkien
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erfahren über die Werke der Valar und über die mächtigsten Wesen der ältesten Tage. Sage mir, woraus die Sonne oder der Mond oder die Sterne zusammengesetzt sind, und wie entstanden ihre Bahnen und Standorte? Mehr noch – woher stammen die Festlande der Erde, die Äußeren Lande, die großen Meere und die Zauberinseln? Ja, sogar von den Eldar und ihrem Erscheinen und von der Ankunft der Menschen möchte ich wissen und deinenGeschichten lauschen, die voller Gelehrsamkeit sind und wunderbar.«
    Da erwiderte Rúmil: »Nein! Eure Fragen sind fast ebenso lang und wortreich wie meine Geschichten – und Euer Wissensdurst würde einen Brunnen austrinken, der gar noch tiefer ist als mein Wissen, falls ich Euch unbegrenzt und nach Eurem Wohlgefallen trinken ließe. Wahrlich, Ihr wisst nicht, wonach Ihr fragt, und kennt nicht die Länge und Verschlungenheit der Geschichten, die Ihr hören möchtet. Seht, die Sonne steht hoch über den Dächern, und dies ist nicht die rechte Tageszeit, um Geschichten zu erzählen. Vielmehr ist es höchste Zeit, das Fasten zu beenden.« Mit diesen Worten ging Rúmil den Haselnusspfad entlang, durchquerte mit großer Eile, wenngleich mit beharrlich gesenktem Blick, ein sonnenhelles Gartenstück und trat ins Haus.
    Eriol aber saß in Gedanken versunken im Garten, überdachte, was er gehört hatte, und viele Fragen kamen ihm in den Sinn, die er zu stellen wünschte, bis er vergaß, dass er noch immer nichts zu sich genommen hatte. Doch nun näherten sich Winzigherz und ein Gefährte, die Speisen und ein reines Tischtuch trugen, und sie sagten zu ihm: »Die Worte Rúmils des Weisen tragen die Schuld, wenn Ihr in der Laube der Drosseln ohnmächtig werdet, weil der Hunger Euch geschwächt und Rúmils geschwätzige Zunge Euch ermüdet hat – und weil wir das vorausgesehen haben, sind wir gekommen, Euch zu laben.«
    Da dankte Eriol den beiden, aß und trank und verbrachte den Rest dieses schönen Tages verborgen in den stillen Baumreihen dieses Gartens, tief in Gedanken verloren; doch auch an reizender Abwechslung war kein Mangel. Obgleich der Garten nämlich zur Gänze mit großen Steinmauern umgeben zu sein schien, die von Obstbäumen und Kletterpflanzen verdeckt waren, deren goldene und rote Blüten in der Sonne leuchteten, gab es doch versteckte Winkel, Unterholz und Rasenflecken, schattige Wege und blumenübersäte Wiesen in Fülle, und beim Umherschweifen war immer etwas Neues zu entdecken. Gleichwohl empfand er noch größere Freude, als an diesem Abend wiederum der Trinkspruch auf die »Wiederentzündung der Magischen Sonne« ausgebracht, die Kerzen in die Höhe gehalten wurden und sich alle erneut in das Gemach begaben, in dem das Feuer der Geschichten brannte.
    Dort sagte Lindo: »Wollen wir an diesem Abend wieder Geschichten hören, wie es der Brauch ist, oder wollen wir musizieren und Lieder singen?« Und die meisten wollten Musik und Lieder hören, worauf diejenigen, die diese Kunst beherrschten, sich erhoben, alte Lieder sangen oder die dahingeschwundene Dichtkunst Valinors im flackernden Licht des feuerhellen Gemachs zu neuem Leben erweckten. Manche sprachen auch Verse über Kôr und Eldamar, Bruchstücke des einstigen Überflusses an Liedern; doch bald erstarben Lied und Gesang, und Stille trat ein, weil man der verschwundenen Schönheit gedachte und heftiges Verlangen empfand, die Magische Sonne möge wieder entzündet werden.
    Schließlich wandte Eriol sich an Lindo und sagte: »Rúmil, der Türhüter und ein großer Weiser, wie mich dünkt, hat mir heute Morgen im Garten vom Anfang der Welt und von der Ankunft der Valar erzählt. Nun würde ich gern von Valinor hören!«
    Darauf sagte Rúmil, der in einem schattigen Winkel auf einem Hocker saß: »Mit Lindos und Vaires Erlaubnis will ich denn also mit der Geschichte beginnen, sonst werdet Ihr mit Euren Fragen niemals aufhören; und ich bitte die Zuhörer um Vergebung, wenn sie alte Geschichten noch einmal hören müssen.« Doch Vaire sagte, dass diese Worte über dieältesten Dinge bei den Eldar niemals auf taube Ohren stoßen würden.
    Und also begann Rúmil:
    »Seht also, Manwe Súlimo und Varda die Schöne erschienen. Varda war es, die beim Ertönen der Musik des Lichtes gedachte, des weißen und silbernen, und der Sterne. Diese zwei nun erwarben sich mächtige Flügel und durcheilten die drei Lüfte. Vaitya umhüllt dunkel und träge die Welt, doch Ilwe ist blau und klar und strömt zwischen den Sternen, und zuletzt

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