Das Buch der verschollenen Geschichten - Teil 1 & Teil 2
angekommenen Eldar nach Valinor gebeten werden sollen, um dort mit Manwe und den anderen Göttern zu sprechen, ihnen von ihrer Ankunft in der Welt zu erzählen und von ihren Wünschen, die sie in ihnen erweckt hatte.
Dann machte sich Nornore, dessen Füße sich so rasch bewegen, dass sie unsichtbar werden, mit der Botschaft Manwes auf den Weg, und ohne anzuhalten saust er über Land und Meer nach Palisor. Dort findet er einen Ort, tief in einem Tal, eingefasst von kiefernbewachsenen Hängen; sein Grund ist die weite Wasserfläche eines Teiches, und sein Dach ist die Dämmerung, besetzt mit Vardas Sternen. Dort hatte Orome die Eldar erwachen gehört, und in allen Liedern heißt dieser Ort Koivie-néni oder die Wasser des Erwachens.
Alle Abhänge des Tales, die baumlosen Ufer des Teiches, sogar die zerklüfteten Ränder der jenseitigen Berge sind nun von einer großen Menge Volks besetzt, das verwundert die Sterne anstarrt, während einige bereits mit wunderschönen Stimmen zu singen angefangen haben. Nornore aber stand auf einem Berg und staunte über die Schönheit dieses Volkes, und weil er ein Vala war, erschienen sie ihm wunderbar klein und zart und ihre Gesichter gedankenvoll und empfindsam. Darauf sprach er mit der mächtigen Stimme der Valar, und alle schimmernden Gesichter wandten sich ihm zu.
›Höret, o Eldalie, ihr, die ihr durch die Zeitalter der Dämmerung herbeigewünscht und durch die Zeitalter des Friedens gesucht worden seid, ich komme in diesem Augenblick her von Manwe Súlimo, dem Herrn der Götter, der in Frieden und Weisheit auf dem Taniquetil thront, zu euch, die ihr die Kinder Ilúvatars seid, und dies sind die Worte Manwes, die ihr aus meinem Munde vernehmt: Einige von euch sollen mit mir zurückkehren – denn ich bin Nornore, Herold der Valar – nach Valinor und mit ihm sprechen, auf dass er Kunde erhalte von eurer Ankunft und von all euren Wünschen.‹
Groß waren nun die Erregung und das Staunen an den Wassern von Koivie, und am Ende waren es drei der Eldar, die vortraten und es wagten, mit Nornore zu gehen, und diese trug er zurück nach Valinor; und ihre Namen, wie die Elben von Kôr sie überliefert haben, waren Isil Inwe und Finwe Nóleme, der Turondos Vater war, und Tinwe Linto, Vater Tinúviels – die Noldoli nennen sie aber Inwithiel, Golfinweg und Tinwelint. Später wurden sie sehr mächtig unter den Eldar, und die Teleri waren jene, welche Isil folgten, seine Sippe und Abkömmlinge aber sind jenes königliche Geschlecht der Inwir, deren Blut in meinen Adern fließt. Nóleme war Herr der Noldoli, und von seinem Sohn Turondo (oder Turgon, wie er genannt wurde), werden große Geschichten erzählt; Tinwe 3 hingegen wohnte nicht lange bei seinem Volk, und doch heißt es, er lebe noch immer als Herr der verstreuten Elben Hisilómes, tanze mit Wendelin, seiner Gemahlin, an dämmrigen Orten, einer Fee, die vor langer, langer Zeit aus den stillen Gärten Lóriens kam; doch der größte von allen Elben wurde Isil Inwe, und sein mächtiger Name wird bis auf den heutigen Tag in Ehren gehalten.
So wisse denn, von Nornore hergebracht, standen die drei Elben nun vor den Göttern, und es war die Zeit, da dieLichter wechselten, Silpion schwand, Laurelin aber zur schönsten Pracht aufblühte, als Silmo gerade aus dem silbernen Kübel die Wurzeln des anderen Baumes begoss. Da waren die Elben aufs höchste verwirrt und erstaunt über den strahlenden Glanz des Lichtes, da ihre Augen nur die Finsternis kannten und nichts Helleres gesehen hatten als Vardas Sterne, doch die Schönheit und die machtvolle Majestät der Götterversammlung erfüllten sie mit Ehrfurcht, und die fern auf der Ebene leuchtenden Dächer von Valmar ließen sie zittern, und sie neigten sich ehrerbietig – doch Manwe sprach zu ihnen: ›Erhebt euch, o Kinder Ilúvatars, denn sehr groß ist die Freude der Götter über euer Kommen! Erzählt uns, auf welche Weise ihr hergekommen seid, wie ihr die Welt gefunden habt, und wie sie euch vorkommt, deren erste Sprösslinge ihr seid, und welche Wünsche euch bewegen.‹
Nóleme aber erwiderte: ›Wohlan! Allermächtigster! Woher kommen wir? Mir scheint, dass ich erst jetzt aus einem abgrundtiefen ewigen Schlaf erwacht bin, dessen gewaltige Träume schon vergessen sind.‹ Und Tinwe fügte hinzu, sein Herz sage ihm, dass er geradewegs aus grenzenlosen Reichen herkäme, doch er könne sich nicht erinnern, über welche dunklen und sonderbaren Wege er geführt worden sei; und Inwe, der
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