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Das Buch des Kurfürsten: Historischer Roman (German Edition)

Das Buch des Kurfürsten: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Buch des Kurfürsten: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marlene Klaus
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bestimmt nach Heidelberg.“
    Hedwigs Herz machte einen Sprung. Das war mehr, als sie zu hoffen gewagt hatte. Sie wusste nicht genau, wie weit der Bierhelder Hof von Heidelberg entfernt lag, doch weit konnte es nicht sein, denn sie meinte, schon einmal von ihm gehört zu haben.
    „Das wäre wunderbar!“, sagte sie daher erfreut.
    „Dadada!“, stimmte Juli vom Tisch her aus vollem Halse zu.

Fünfunddreißig
    Hätte er etwas anders machen sollen? Hatte er Hedwig im Stich gelassen? Unablässig wie ein Mühlrad drehten sich diese Fragen in seinem Kopf, den er am liebsten gegen die harte, widerliche, vermaledeite Mauer des Gefängnisturms geschlagen hätte.
    Wie er dieses Eingezwängtsein hasste! Es drückte ihm die Kehle zu, schnürte ihm die Luft ab. Hilflos. Ausgeliefert. Da war er aus Hockenheim fortgegangen, seinem Weg gefolgt, das Ziel stets fest vor Augen: die Arbeit beim Oheim in Schwetzingen als Sprungbrett für Heidelberg. Oheim Dietmar hatte ihn darin bestärkt, auch wenn er ihn nach einem Jahr an die Kanzlei in Heidelberg verlor. Er hatte keine Mühen und Entbehrungen gescheut, hatte es geschafft. Er gehörte zu dieser Stadt, diesem Land, zu diesem Fürsten und dessen Kanzlei. Und nun war alles dahin! Ausgeträumt der Traum, vom unteren zum oberen Kanzleiknecht aufzusteigen, Schreiber zu werden gar.
    Hingekauert an den kalten Stein, die stinkende Decke um sich geschlungen, die doch nicht gegen die Kälte half, erst recht nicht gegen die marternden Gedanken, starrte Philipp vor sich, starrte die rötlichen, undurchdringlichen Mauerquader ihm gegenüber an, die Leiter, die von dem unteren Gefängnisgelass, in dem er saß, hinaufführte ins mittlere Geschoss des Turmes. Verzweifelt suchte er seine Pein niederzuringen, die Angst, das Grausen. Hatte er den Schelm verpasst, dort oben am Eselsweg? War der später gekommen, hatte ihn nicht mehr angetroffen? War er zur Kanzlei gekommen, hatte herausgefunden, dass man ihn festsetzte? Hatten sie einen anderen Weg gefunden, das Buch in die Kanzlei zurückzubringen? Was, wenn sie Hedwig längst getötet hatten? Oh Herr im Himmel, hilf!
    Er hatte keine Antworten, und ihm drohte die peinliche Befragung! Furcht und Wut, eine solch unbändige Wut auf diesen Sauhund kam ihn an, mischte sich mit dem Gefühl der Machtlosigkeit.
    Stunden rannen dahin. Zweimal hatte man ihm Essen gebracht, Suppe, Brot. Seine Bitte um eine weitere Decke, sauber, hatte der Wächter brummend zur Kenntnis genommen, gebracht hatte er sie noch nicht. Die Scharte hoch über seinem Kopf ließ graues Tageslicht herein, bald würde der Nachmittag in den Abend gleiten, die Nacht hereinbrechen, noch kälter, noch elender, ohne Licht, ohne Wärme. Dann war auch dieser Tag vorbei, es folgte der Sonntag, dann der Montag mit dem erneuten Verhör vor dem gesamten Hofgericht. Was sollte er sagen? Die Entführung hatte er bereits angedeutet. Gab es eine Möglichkeit, dabei zu bleiben, ohne sein Tun zu offenbaren? Wieder und wieder durchdachte er alles, sah diesen Sauhund vor sich, der ihn vor der Kanzlei abgefangen hatte, um ihn zu jenem Tun zu pressen, das eine Schmach auf ihn geladen hatte, die ihn fast umbrachte. Wer hatte ihm dies angetan? Ein Vasall, so viel war ihm inzwischen klar. Es konnte nicht anders sein. Gegen so einen ungebildeten, rauen, dem Jagen und Saufen und der Hurerei verfallenen Kotzbrocken kam er nicht an, selbst wenn er gewusst hätte, wer er war. Friedrich IV. war bemüht, die Ritterschaft wieder milde zu stimmen, er suchte auszugleichen, was sein Oheim Johann Casimir und dessen Vater Friedrich in Regierungsjahren zuvor an Schaden angerichtet hatten. Der hatte ja selber das Saufen, Jagen und Ritterspielen gern, holte seine Vasallen wieder an den Hof und in die Ämter. So sehr Philipp seinem Fürsten ergeben war und dessen Jugend und Leutseligkeit mochte – in dieser Frage zog er nicht mit ihm an einem Strang. Nicht, dass man ihn, einen Knecht, darum gefragt hätte. Das war Sache der hohen Herren. Aber das protzige Herumgelaufe und Säbelgerassel der Ritterschaft stieß ihm so manches Mal sauer auf. Mit Fleiß etwas erreichen? Wissen sammeln, ehrbar und brav seinen Weg machen? Darüber lachten diese Dummhaufen nur. Und nun hatte ein solcher Hundsfott ihm Weib und Kind genommen! Philipp würgte an seiner Wut, an der Aussichtslosigkeit seiner Lage.
    Mit beiden Händen rieb er sich übers Gesicht, presste die Finger in die Augen, fuhr über die Wangen. Was nun, Philipp Eichhorn, was nun? Gab

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