Das Buch des Wandels
Beide Zustände sind im Deutschen melancholischromantisch überhöht und scheinen nicht gerade tauglich für die Gesellschaftsanalyse. Das Glück kommt und geht, sagt man in Deutschland. Es macht, was es will! Traue nicht dem Glück, denn es will uns »verführen«. Glück wird also eher als Abwesenheit von Problemen und als rauschhafter Zustand definiert. Menschen, die glücklich sind, gelten hier als oberflächlich oder hängen Illusionen an (»Der wird schon noch sehen!«). Der Sollzustand der deutschen Kultur ist das tragische Unglück.
Das englische Wort »Happiness« zielt hingegen eher auf jene Kompetenzen , die ich im Selfness-Kapitel beschrieben habe und die sich eher auf mentale Stabilität als eine euphorische Gefühlslage beziehen. Happiness meint eher »seines Glückes Schmied sein können«.
Der Philosoph Wilhelm Schmid hat in seinem Buch »Glück – Alles was Sie darüber wissen müssen« überzeugend herausgearbeitet, wie wir Glück begreifen können, wollen wir nicht in die hedonistische Falle gehen. Menschen sind nicht dann glücklich, wenn sie »happy« sind wie der Grinsemeister Dieter Bohlen. Sondern wenn sie ihre Umwelt als kohärent und sich selbst als wirksam erfahren. Nachhaltiges Glück ist gleichbedeutend mit aktiv und kreativ gestalteter Lebenserfahrung. Mit anderen Worten: Coping-Kompetenz.
Die Vermessung des Glücks
Wie kann man Glück im gesellschaftlichen Zusammenhang messen? Es gibt heute mehrere Messverfahren, die alle ihre Vor- und Nachteile aufweisen:
Das Bruttoglücksprodukt (GHN – Gross Happiness Product), das König Jigme Singye Wangchuk im kleinen Königreich Bhutan
(er trat 2008 zurück und verordnete seinem Volk die Demokratie) einführte, misst den Index psychischen Wohlbefindens in einem Koordinatennetz von Gesundheit, Bildung, Zeitverwendung und Zeitbalance, kulturellen Gewohnheiten, Ökologie und Partizipationserfahrungen. Dazu gehören zum Beispiel Zeit zum Beten und die Einstellung zur Kommunalverwaltung (Zufriedenheit mit den Behörden). Das Ziel des Bruttonationalglücks ist die Steuerung von Maßnahmen in Richtung einer sozial gerechten Gesellschafts- und Wirtschaftsentwicklung, die Bewahrung und Förderung kultureller Werte, Schutz der Umwelt und Errichtung von produktiven Regierungs- und Verwaltungsstrukturen. Die Statistiker des Himalaja-Landes ziehen durchs Land, bis in die entlegensten Bergdörfer, Fragebögen mit insgesamt 290 (!) Fragen im Gepäck. Sie messen, wie oft sich Bhutans Bürger eifersüchtig fühlten, gestresst, überfordert, wie ihre Einstellung zum Lügen ist, wie oft sie Sex haben und wie viele Tiernamen sie kennen.
Der HPI (Happy Planet Index) verbindet drei Indikatoren zu einem komplexeren Zahlensystem: den ökologischen Fußabdruck, die Lebenszufriedenheit und die Lebenserwartung. Er wurde im Juli 2006 von der New Economics Foundation in Zusammenarbeit mit Friends of the Earth Großbritannien publiziert, weist also eine stark ökologische Färbung auf. In diesem Index liegen manche arme Gesellschaften weit vorne, während die Frage der Freiheit eher unterbewertet bleibt. Kuba zum Beispiel liegt auf den oberen Rängen, weil seine marode Wirtschaft kaum »Fußabdrücke« verursacht. Deutschland nimmt Platz 51 ein.
Der Subjective Wellbeing Index des Soziopsychologen Ronald Inglehart misst ausschließlich die subjektiven Empfindungen nach einem einfachen Fragebogen in allen Ländern der Erde. Auch hier schneiden ärmere Länder ganz gut ab, vor allem solche in Mittelund Südamerika. Dänemark belegt den ersten Rang, vor Puerto Rico und Kolumbien, Deutschland liegt auf Rang 35. 3
Was wirklich glücklich macht
Ab etwa 35 000 Euro Jahreseinkommen wird man nicht mehr automatisch glücklicher, wenn das Einkommen steigt. Es führt allerdings in die Irre, Glück völlig vom materiellen Wohlstand abzukoppeln. Breitenwohlstand hat sehr wohl etwas mit der generellen Lebenszufriedenheit zu tun. In Dänemark, Schweden, Kanada und Australien ist man eher optimistisch und weniger zukunftsängstlich. Und im langfristigen Vergleich auch glücklicher als in den »Emotionsgesellschaften« Süd- und Mittelamerikas, wo subjektives Unglück teilweise regelrecht tabuisiert ist (was natürlich die Umfragen verzerrt).
Der deutsche Glücks- und Fortschrittsforscher Stefan Bergheim hat Studien aus europäischen Ländern (plus einigen überseeischen Industriestaaten) differenzierter ausgewertet und auf ihre spezifischen Korrelationen untersucht. Er stellte drei
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