Das Buch des Wandels
Varianten kapitalistischer Gesellschaften fest – glückliche, weniger glückliche und unglückliche -, die jeweils Entsprechungen in ihren Werte- und Kultursystemen aufweisen. Zu den glücklichen Ländern gehören die skandinavischen, Kanada, Australien, Neuseeland, die Schweiz. Zu den weniger glücklichen Deutschland und Österreich, aber auch Belgien und Frankreich. Unglücklich sind überwiegend die Südeuropäer, besonders Portugal, Italien und Griechenland. Bergheim fand folgende Schlüsselfaktoren für das gesellschaftliche Glück: 4
Vertrauen: Wer die Frage, ob er grundsätzlich seinem Nachbarn vertraut, mit ja beantwortet, bekundet damit eine soziale Verbundenheit, die weit über den engsten Familienkreis oder das »große Wir« der Nationalität oder Ethnie hinausgeht. Vertrauen, als Lebensgefühl abgefragt, misst die Funktionsfähigkeit der Zivilgesellschaft, die Dichte der sozialen Netzwerke, aber gleichzeitig auch den Grad der Selbstbestimmung. Denn wir können uns als Individuen nur stark fühlen, wenn wir uns mit unseren Nachbarn gut verstehen. Über unser Glück entscheiden nicht zuletzt unser
Menschenbild und die Summe unserer gelungenen Kooperationserfahrungen.
Gutes Alter: Ältere Menschen erweisen sich (mit Ausnahme einer kleineren, besonders unglücklichen Gruppe) in modernen Gesellschaften im Schnitt als glücklicher und zufriedener mit ihrem Leben als die jüngeren. Sie sind sich ihrer selbst bewusster, in ihren sozialen Beziehungen stabiler und in ihren täglichen Routinen besser verankert. Psychologen sprechen auch vom »Positivitätseffekt«, der mit zunehmendem Alter eintritt: 5 Bei der Beurteilung des Verhaltens anderer Menschen neigen Ältere dazu, die positiven Eigenschaften dem Charakter eines Menschen zuzuschreiben, die negativen eher den Umwelteinflüssen. Sie urteilen »gnädiger« mit den Mitmenschen – und das stärkt wiederum den Vertrauensfaktor. Eine alternde Gesellschaft muss demzufolge keineswegs eine Welt von Altersunglück werden.
Freiheit: Soziale Sicherheit durch staatliche Institutionen ist ein Faktor, der die Lebenszufriedenheit zwar prinzipiell positiv beeinflusst. Allerdings kann diese Sicherheit in ihr Gegenteil umschlagen, wenn sie ausschließlich auf Risikovermeidungseffekten ruht. In den Ländern mit sehr strikten Arbeits- und Kündigungsschutzgesetzen wie Deutschland oder Portugal sind die Menschen weniger glücklich. Dahinter steht wieder der Coping-Effekt: »Von oben verwaltete«, äußere Sicherheit führt eher zu Demoralisierung und Angst, sie schwächt auf Dauer das Individuum, weil sie ein Gefühl von Abhängigkeit und Misstrauen schafft. Glücklich sind Menschen, die eine eigenständige, selbstständige Laufbahn gestalten können, die solche berufliche Wechsel einschließt, die ihren Talenten und Veränderungswünschen entsprechen. Auch die Tatsache, dass das Glücksniveau in Ländern mit späterem Renteneintrittsalter deutlich höher ist, passt in dieses Bild.
Effektiver und gerechter Staat: Wenn Menschen sich einer als desorganisiert oder willkürlich wahrgenommenen Obrigkeit ausgeliefert fühlen, leidet ihr Lebens- und Selbstwertgefühl enorm. Korruption ist deshalb einer der stärksten Unglücksindikatoren.
Kinder: In den Wohlstandsnationen sind diejenigen Nationen glücklicher, die eine (relativ) höhere Geburtenrate erreichen, also eher um 1,8 als um 1,3 Kinder pro gebärfähige Frau. Generativität, also die Einbindung des Menschen in die Kette von Enkel, Kinder, Eltern, Großeltern, ist ohne Zweifel ein Glücksfaktor. Oder andersherum: Glückliche Menschen bekommen mehr Kinder.
Herausforderung: Arbeit bedeutet »herausgefordert sein« in einem nicht nur unmittelbar privaten Sinn, und Menschen, die über die 60-Jahres-Grenze hinweg arbeiten, sind auch vor Erreichen dieses Alters schon glücklicher. Wir erinnern uns: Coping bedeutet die Bewältigung von selbstgestellten und bewältigbaren Herausforderungen – und macht glücklich.
Bildung: Den stärksten Einfluss auf das Wohlbefinden hat jedoch die Bildung. Gebildete sind überall auf der Welt optimistischer, friedlicher und gesünder. Schon Adam Smith erkannte: »Ein aufgeklärtes und kluges Volk … ist eher geneigt, die Ziele hinter dem Geschrei nach Zwietracht und Aufruhr kritisch zu prüfen, und fähiger, sie zu durchschauen.« 6 Besonders die Aufwärtsdynamik im Bildungssektor spielt deshalb eine entscheidende Rolle für die Zukunftsfähigkeit. Wo in Entwicklungsländern die
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