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Das Buch des Wandels

Titel: Das Buch des Wandels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias Horx
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Loss of Sadness« versucht, Depression in diesem Sinn als Aktivität des Hirns zu interpretieren. 7 Wenn wir in unlösbaren Konflikten stecken, wenn es scheinbar keine Chance auf Veränderung mehr gibt, versucht das Hirn einen Kurzschluss und einen Neustart.
    »Ausgehaltene Traurigkeit« hat sehr viel mit Kreativität, mit Selbstwandel zu tun. Goethe sprach von sich als »einem, der nie einen Tag der einfachen Zufriedenheit erlebte«. Unzählige Künstler,
Poeten, Kreative haben aus dem Gefühl der Traurigkeit, des seelischen Leidens heraus gelebt und gearbeitet.
    »Der Kostenfaktor des Glücks ist Zufriedenheit. Unzufriedenheit hingegen treibt Wandel voran. Wir sollten Emotionen nicht abstumpfen oder ersticken – Emotionen sind Information!« So formuliert Terence Ketter, ein Psychiater an der Stanford Universität, den neuen Umgang mit den Emotionspotentialen der Traurigkeit. Natürlich kann es sinnvoll sein, schwere und pathologisch verhärtete Depressionen mit Medikamenten zu behandeln. Aber genauso wie Schmerz ein Warnsignal für den Körper ist, ist Traurigkeit ein sinnvolles Alarmsystem für die Seele. Die Depression könnte eine Art »Verpuppung der Psyche« sein und ein unbewusstes Instrument des persönlichen Wandels, der geistigen Metamorphose, das zum Beispiel hilft, sich von unrealistischen Zielen zu verabschieden. Auf diese Weise neu gedeutet, könnte sie ihren dämonischen Charakter verlieren.

Das Geheimnis der Resilienz
    Ihr erster Mann starb, als sie 30 Jahre alt war, bei einem Unfall. Es war ein schrecklicher Autounfall, ohne jede Tröstung. Der »Knacks«, wie Roger Willemsen jenen Moment bezeichnet, in dem das Universum in einer persönlichen Katastrophe unwiderruflich in ein »vorher« und »von nun an« zersplittert.
    Der zweite Mann starb im Alter von 50 Jahren an einem Aneurysma, einer Blutung im Kopf. Unvermittelt, über Nacht, in einem Hotel auf Mallorca, inmitten der olfaktorischen Pracht des mediterranen Frühlings. Sie war damals 38 Jahre alt, und sie hatten soeben gemeinsam beschlossen, ein spätes Kind zu bekommen.
    Der dritte Mann starb mit 60 Jahren an Krebs, an »tödlich langweiligem Krebs«, wie sie es formuliert.
    Mit keinem der drei Männer hatte sie Kinder. Der erste war zu jung, der zweite hatte es herausgezögert, bis es zu spät war, der
dritte hatte zwei Kinder aus erster und zweiter Ehe und genug von der Reproduktion.
    Anna, eine Frau im reifen Alter irgendwo zwischen 50 und 60, kurzhaarig, etwas ergraut, schlank, intensive Augen, ein scheues Lächeln, das sich aber ausweiten kann zu einem Flächenbrand. Sie arbeitet als freie Gutachterin in der Pharmabranche, unter anderem wertet sie Studien über chronische Krankheiten aus. Ihr Bekanntenkreis ist groß; mit mindestens 20 Menschen unterhält sie lange intime Beziehungen. Sie lebt allein in einer weiß und metallen (mit kleinen, romantischen Einsprengseln) eingerichteten Mietwohnung am Rande einer deutschen Großstadt. Sie reist viel. Sie liest anspruchsvolle Bücher. Sie verfügt über diverse »Hausfreunde«, wie sie sagt, aber eine feste Bindung kommt nicht mehr in Frage. »Ich scheine so etwas wie die ideale Sterbehelferin zu sein«, sagt sie mit Trockeneishumor. »Wenn ich einem Mann zu nahe komme, legt er sich garantiert zum Sterben nieder. Und das dauert mir dann inzwischen zu lange!«
    Annas Geschichte erzählt uns eine Menge über die Fähigkeit von Menschen, die kostbare Eigenschaft der Resilienz zu entwickeln. Resilienz bedeutet die Fähigkeit, mit unerwarteten Ereignissen, Schicksalsschlägen, Verlusten, mit Krisen eben, widerstandsfähig und konstruktiv umzugehen. Resilienz ist mehr als nur »Robustheit«. Es ist die Befähigung, aus der bewussten Erfahrung von Verletzlichkeit und Verletztheit mentale Substanz aufzubauen. Lebenskatastrophen können uns dann zwar beeinflussen, aber nicht verkrüppeln.
    Auch bei diesem Trainingsprogramm spielt unser endokrinneurologisches System wieder die Schlüsselrolle. Unser Hirn verfügt über eine Menge von Ressourcen, Realität so zu »drehen«, dass »Sinn« entsteht. Sinn ist nichts anderes als ein neurologisches Muster, in dem unser Neocortex die Herrschaft über die Amygdala und alle ihre Helfershelfer ausübt. Sinn heißt ein neurologischer Zustand von Kohärenz und Bewältigung. Mit anderen Worten: Nichtstress.

    Menschen, die in extremen Armutsverhältnissen leben, können dennoch glücklich sein – siehe die Geschichte der Slums -, wenn sie kleine Fortschritte

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