Das Buch des Wandels
Weisheit aus:
• Eine soziale Einstellung, die dazu befähigt, Allgemeinwohl dem Eigenwohl vorzuziehen.
• Eine tiefe praktische Menschenkenntnis.
• Emotionale Stabilität des Selbst.
• Die Fähigkeit zur Selbstreflexion
• Sinn für die Relativität von Werten, Meinungen, Bewertungen – Fähigkeit zur Toleranz.
• Ein wirksamer Umgang mit Ungewissheit. 9
Und tatsächlich: Die Verknüpfungen und Interaktionen zwischen dem medialen präfrontalen Cortex – in dem die Funktionen des Altruismus verortet sind -, dem dorsalen Cortex – dem Stammsitz der Aufmerksamkeit und der Empathie – und dem anterioren cingulären Cortex – der die »Vorschläge« des limbischen Systems (der Amygdala, des Hippocampus und so weiter) aufnimmt und bewertet – sind deutlich erhöht, wenn die Träger des Hirns über eine außergewöhnliche Lebenserfahrung kombiniert mit besonders ausgeprägten kommunikativen Fähigkeiten verfügen. Gefühle sind im Zustand der Weisheit auf
subtile Weise in das Denken und Wahrnehmen integriert, sie benehmen sich gegenüber dem rationalen Verstand nicht mehr wie Halbstarke in der Eisdiele. So, wie robuster Fortschritt die gesellschaftlichen Subsysteme auf der Ebene höherer Komplexität integriert, bedeutet Weisheit die Integration der verschiedenen Funktionen und Affekte unseres Hirns. Dieser Spur sollten wir ein eigenes Kapitel widmen: über das Denken, das Fühlen und seine mögliche Evolution.
7 DYNAMISCHES DENKEN
Vom kausalen zum komplexen Bewusstsein
Der Test für eine erstklassige Intelligenz ist die Fähigkeit, zwei widersprüchliche Ideen zum selben Zeitpunkt im Kopf zu haben – und dabei funktionsfähig zu bleiben.
Scott F. Fitzgerald
Die höchste intellektuelle Leistung, die das Hirn zu leisten vermag, ist die Realität.
George Miller
Das beste Denken ist ein durch die Kälte des Weltraums geschulter emphatischer Blick auf die Welt.
Eigenzitat
Die innere Stimme
Vor einigen Jahren kam ich von einer langen Vortragsreise nach Hause zurück, als mich Oona, meine Frau, vor der Tür erwartete. Was sie sonst nie tut.
»Du verheimlichst mir etwas!«, sagte sie schroff. »Kannst du mir erklären, warum du, ohne mir etwas zu sagen, ein Apartment kaufen willst?«
Um Himmels willen, dachte ich. Jetzt ist es passiert. Ich liebe diese Frau seit vielen Jahren. Und jetzt ist sie verrückt geworden (aber wir werden auch das durchstehen … es gibt schließlich neue Medikamente und verbesserte Therapien … wir haben zwei Söhne aufgezogen … Das hier werden wir auch noch schaffen …).
»Josef hat angerufen«, fuhr sie mit etwas flatteriger Stimme fort. »Er fragt, wann du ihm die 50 000 Euro zurückgeben kannst, die
er dir gestern für das Apartment geliehen hat. Da kannst du dann ja mit deiner Geliebten einziehen!«
Josef ist ein alter österreichischer Bekannter. Mit ihm und seiner Frau hatten wir vor einigen Jahren den einen oder anderen Sommer gemeinsam in Italien verbracht. Ein eloquenter, emeritierter Ökonomieprofessor mit einem Hang zu Kunst, gediegenen Rotweinen und italienischen Opern jenseits der Kitschgrenze. Nach der Pensionierung hatte er endlich Zeit für das Theater, die Bücher und alle jene Interessen, die man im Berufsleben vernachlässigen muss.
Eines Tages, gegen 13 Uhr, bekam Josef einen Anruf von einem Menschen, dessen Stimme er im ersten Moment nicht erkannte (er ist ein klein wenig schwerhörig). Wir hatten uns zu diesem Zeitpunkt schon fast ein Jahr nicht mehr gesehen.
»Hallo Josef«, sagte die Stimme, »hier ist ein alter Freund aus Deutschland …«
»Ähhm«, sagte Josef, dem es ein wenig peinlich war, die Stimme nicht zu erkennen, »die Verbindung ist etwas schlecht. Matthias? Bist du das?«
»Ja klar«, sagte die Stimme am anderen Ende. »Dein alter Freund Matthias. Du, ich habe ein furchtbares Problem. Wir sind hier in einer Auktion für ein ganz tolles Apartment, und ich habe gerade den Abschluss gemacht! Altbau, drei Zimmer, beste Lage nahe der Innenstadt, ideal, ein echt guter Preis! Das Problem ist nur, dass wir das Geld ganz schnell auf den Tisch legen müssen! Der Makler besteht darauf, es innerhalb von drei Stunden haben zu wollen. Sonst verfällt das Angebot. Meine dringende Bitte: Kannst du mir auf die Schnelle fünfzigtausend Euro leihen??? Ich kann’s dir am Wochenende gleich zurückgeben, du kennst mich ja!«
»Oha«, sagte Josef. »Kann ich dich zurückrufen? Ich weiß gar nicht, ob ich so viel Geld innerhalb dieser Zeit
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