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Das Buch Gabriel: Roman

Das Buch Gabriel: Roman

Titel: Das Buch Gabriel: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dbc Pierre
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Wiege des Nimbus. Ich scheine der erste Gast zu sein. Als ich mich umdrehe, sehe ich ein Aquarium, das mit einer unterseeischen Landschaft aus Sand und Kieseln die gesamte Breite der rückwärtigen Wand einnimmt. An einem Ende steht eine steinerne Pagode. In diesem Bassin könnte man bis zum Hals im Wasser stehen und dann zehn große Schritte vorwärts tun. In Wellen bricht Grünes-Tee-Licht aus dem Becken und sprenkelt die papierenen Wandschirme im Saal, während stachelige Fische, plumpe Fische und Fische, die aussehen wie durch die Mangel gedrehte Regenschirme, glubschäugig darin schweben und ein Krake sich in der Pagode versteckt. Während ich noch in der Betrachtung versunken dastehe, keschert ein Koch einen Fisch heraus, der kleine, stachelige Rückendorne aufstellt, während die Luft aus ihm wie aus einem Luftballon entweicht.
    Kurz darauf kommt Smuts aus dem hinteren Bereich. Offen lächelnd, die Arme locker an den Seiten schwingend, schlängelt er sich in einem schwarzen Mao-Hemd mit aufgerollten Ärmeln auf mich zu. Sein Blick ist derselbe wie damals, am Tag der Glastür – zwei Stirnlampen unter Augenbrauen. Er ist schlanker als früher, sein Bartschatten dunkler, und seine Muskeln sind noch stärker von Adern durchzogen, als ob die Knochen die Haut weiter angesaugt hätten. Aber kein römischer Bildhauer hat je ein derart unnachgiebiges Arbeitstier entworfen, wie Smuts eines ist.
    »Pu- tain « – er schreckt zurück – »kommst du aus einem Puff?« Er wedelt einen Tunnel durch meinen Duft, mustert meine Frisur und nickt zu dem Wein in meiner Hand. »Und Getränke, in einem Restaurant? Hast du auch Essen dabei? Willst du hier picknicken oder was?«
    »Ein Geschenk.« Ich überreiche ihm die Flasche, während wir uns umarmen.
    »Verdammich.« Er prüft das Etikett. »Diese Pisse kann man nur zu Chips trinken. Kaum zu glauben, dass Leute immer noch diese Pantsche mit Korken drin kaufen.«
    Mir fällt auf, dass sein Akzent nicht mehr zwischen Südafrika und England pendelt, sondern sich inzwischen fest auf der englischen Seite installiert hat und nur gelegentlich schwach an etwas anderes erinnert.
    »Der ist aus dem Hotel.« Ich werfe einen düsteren Blick auf den Wein.
    »Mein Freund, die Zeiten haben sich geändert.« Er zieht mich durch eine mittels einer Bar vom Speisesaal abgetrennte Kombüse, wo er die Flasche mit einem Knall abstellt. Drei japanische Köche zischeln einen Willkommensgruß. Als ich ihnen zunicke, klingelt das Handy in Smuts Hosentasche. »Nicht schon wieder.« Er nestelt es heraus und drückt den Anrufer weg: »Geprägt für alle Zeiten.«
    »Wer war das?«
    »Egal. Komm mit, ich zeig dir, was ein Wein ist. Ein Wein des einundzwanzigsten Jahrhunderts. Du kommst am heutigen Abend zu einem seltenen Privileg, ha, Putain. Danach kannst du mir erzählen, warum du hier bist.«
    »Das hast du gerade schon formuliert: Ich wusste, du lässt mich nicht hängen.«
    »Dich hängen lassen? Dir werden Flügel wachsen. Dekadente Zeiten verlangen nach dekadenten Weinen. Gewöhn dich aber bloß nicht zu sehr dran, das ist der Privatvorrat vom Chef. Dieser griesgrämige, kleine Ninja.« Das Lachen rollt als leises Bellen aus Smuts Mund, er neigt den Kopf, um es herauszulassen. »Wäre nur schön, wenn wir gemeinsam trinken könnten – bist du am Mittwoch noch da?«
    »Nein. Aber wenn du hier fertig bist, können wir doch bestimmt …?«
    »Nichts bestimmt, wir arbeiten hier mit tödlichen Giften. Im Ernst, das ist krasser, als ein Flugzeug zu fliegen. Und morgen um sieben muss ich schon wieder hier sein, da kommen die Kontrolleure. Trotzdem, ich beneide dich – das hier ist ein Wein wie ein Einhorn, so einen siehst du in deinem Leben vielleicht nicht wieder.«
    »Aber bestimmt …«
    »Lass stecken, Siegel, du trinkst alleine.«
    »Hm.« Ich lasse das Thema erstmal ruhen.
    Nach einem kurzen Schweigen sieht Smuts mich von der Seite an. »Hast du schon mal was von Transport gehört?«
    »Willst du mich verarschen?«
    »Als eine Funktion des Gaumens, du Depp. In Sachen Wein hat sich einiges getan, ha. Wir haben ein weiteres Geschmackselement identifiziert – und das heißt Transport. Bis jetzt hat es noch niemand ganz verstanden. Es ist eine Art treibende Vorwärtsbewegung in die Länge, ein panoramaartiger Effekt. Fast eine Dimensionsverschiebung. Die Wissenschaftstypen erzählen dir was von Äthanol-Reabsorption, aber die Romantiker sprechen unter der Hand von Hormonen. Sie behaupten, dass

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