Das Buch Ohne Gnade: Roman
wie zwei untote, gehirnlose Freaks seinen ganzen Stolz stahlen. Das war völlig unerwartet und äußerst unerwünscht.
»Raus da, ihr elenden Wichser!«, brüllte er hinter ihnen her.
Warum Angus seine Zeit damit vergeudete, ihnen etwas zuzurufen, sei dahingestellt. Auf jeden Fall reagierten sie nicht. Schlimmer noch, er hätte ihnen nachlaufen sollen, stattdessen stand er stocksteif da, während die anderen Kreaturen ihn umringten, und war wie gelähmt, als er mit ansehen musste, wie zwei verdammte Zombies in sein geliebtes großes blaues Wohnmobil stiegen und die Türen schlossen.
Falls sie wussten, wie man ein Automobil fuhr, und tatsächlich starteten, würde jede Chance auf eine Flucht zerrinnen wie Butter in der Sonne. Als er hörte, wie der Motor blubbernd ansprang, wusste er, dass er nur noch eine Möglichkeit hatte: nämlich sich durch die Masse der umherstolpernden Monster zu kämpfenund den Van zu erreichen, ehe er davonfuhr. Auf das Geräusch des startenden Motors folgte wenige Sekunden später der Klang des CD -Spielers, der im Van eingeschaltet wurde. Angus’ Mund klappte entgeistert auf. Er stürmte auf die beiden Zombies zu, die zwischen ihm und dem Van standen, und konnte sie leichter zur Seite stoßen, als er erwartet hatte. Dann rannte er weiter, so schnell er konnte, schoss oder trat jeden Zombie nieder, der kühn oder dumm genug war, sich ihm in den Weg zu stellen. Auf keinen Fall würden diese dreckigen Zombies sich mit seinem Van und seiner CD mit Tom Jones’ größten Hits aus dem Staub machen.
»Kommt verflucht noch mal sofort raus! Das ist mein Wagen, ihr verdammten Hurensöhne! Dafür werde ich euch töten! Ein zweites Mal!«
Angus’ Rufe hatten keinerlei Wirkung. Während die Zombies sich entfernten und den Highway hinunterjagten, hörte er den Refrain von »Delilah« aus den Lautsprechern plärren.
Verfluchte diebische untote Arschlöcher!
Angus’ Wohnmobil war eins seiner wertvollsten Besitztümer, aber seine Tom-Jones- CD war unbezahlbar. Ein vom Meister persönlich signiertes Exemplar. War er vorher schon wütend gewesen, so raste er jetzt geradezu vor Zorn. Zu seinem großen Pech musste er immer noch einen Haufen Zombies abwehren, ehe er auch nur daran denken konnte, seinen Van über den Highway zum Hotel Pasadena zu verfolgen.
DREISSIG ♦
Der Bourbon Kid wartete darauf, dass Jacko endlich damit aufhörte, dem Publikum zuzuwinken. Die Blues-Brothers-Nummer war nicht so gut gelaufen, wie er gehofft hatte. Emily Shannon, die Judy-Garland-Imitatorin, war weitaus besser. Und nachdem er sie kurz kennengelernt hatte, war der Kid ziemlich sicher, einen schlechten ersten Eindruck auf sie gemacht zu haben. Indem er versucht hatte, sie davon zu überzeugen, dass sie aus der Show aussteigen und nicht im Finale auftreten sollte, war es ihm lediglich gelungen, sie zu verärgern und sich sämtliche Sympathien bei ihr zu verscherzen. Das wäre nicht schlimm gewesen, wenn sie seinen Rat befolgt und sich aus der Show verabschiedet hätte, aber es sah nicht so aus, als hätte sie das getan. Das erzeugte bei ihm ein Gefühl des Unbehagens. Und etwas, das er schon lange nicht mehr empfunden hatte: Schuld. Er fühlte sich schuldig, sie verärgert zu haben. Er konnte sich jedoch beim besten Willen nicht erklären, warum es ihn störte.
Es war auf den Tag zehn Jahre her, dass er Beth, die einzige wahre Liebe in seinem Leben, für immer verlassen hatte. Emily sah Beth so ähnlich. Sie waren sogar gleich gekleidet, verdammt noch mal. Und Emily hatte so eine angenehme, freundliche Art und die gleiche offenherzige Unschuld, die Beth einst besessen hatte. Was zum Teufel hatte das zu bedeuten? War das irgendein Zeichen? Eine Chance, die Freveltaten von vor zehn Jahren wiedergutzumachen? Wenn er diesmal seine Fehler korrigierte und Emily rettete, würde das sein Gewissen erleichtern?
Die Erinnerung an das Gesicht seiner Mutter schoss ihm durch den Kopf. Er sah sich, sechzehn Jahre alt, wie er sich über sie beugte, während er ihr in die Brust schoss. Dann erinnerte er sich an das grinsende Gesicht von Kione, dem Vampir, der seine Mutter vergewaltigt und sie in eine von seiner Art verwandelt hatte. Dieser Hurensohn lebte noch, wenngleich in einem Zustand ewiger Qual, und hing von einer Decke daheim im Apartment des Kid herab, bereit, bei seiner Rückkehr wieder gefoltert zu werden. War das vielleicht der Ort, wo der Kid hingehörte und den er schnellstens aufsuchen sollte, um seinen Neigungen
Weitere Kostenlose Bücher