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Das Buch Rubyn

Das Buch Rubyn

Titel: Das Buch Rubyn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Stephens
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geklettert. Aber Emma, die in der ersten Reihe gesessen hatte, hob die Spinne ganz ruhig auf und setzte sie in ihr Terrarium zurück.
    »Sagt mal«, wandte sich der Zauberer an die Kinder, »fällt euch an diesen Ratten nichts auf?«
    »Ähm«, sagte Emma mit zitternder Stimme, »sie sind immer noch am Leben und Sie gedenken nicht, das zu ändern?«
    Aber Michael überlegte einen Moment lang nach und sagte dann: »Sie geben keine Geräusche von sich.«
    »Genau«, erwiderte der Zauberer. »So viele Nager auf einem Haufen sollten eigentlich einen Höllenlärm veranstalten. Aber das tun sie nicht. Was bedeutet, dass an der Sache mehr dran ist, als es oberflächlich betrachtet den Anschein hat.«
    »Ich muss mich gleich übergeben«, murmelte Emma.
    Der Zauberer ging zu einem knorrigen Baum, der zwischen zwei Grüften wuchs, und brach einen langen, trockenen Zweig ab. Michael sah zu, wie der Zauberer den Stock in die wirbelnde, zappelnde Masse schob. Und zu Michaels Verblüffung fuhr der Stock ohne Widerstand geradewegs durch sie hindurch.
    »Eine Illusion. Um Eindringlinge abzuschrecken. Da sind keine Ratten. Es fühlt sich so an, als gäbe es dort einen Schacht.«
    Emma kam einen kleinen Schritt näher. »Also sind sie nicht echt?«
    »Nein. Einer von euch beiden sollte mit mir nach unten kommen, während der andere hier oben wartet und die Gegend im Auge behält. Für den Fall, dass uns jemand gesehen hat.«
    »Sie meinen nach unten in dieses Rattenloch klettern?«, fragte Emma fassungslos. »Ähm …«
    »Ich mache es«, sagte Michael schnell. »Emma kann hier oben bleiben.«
    »Sehr gut«, sagte der Zauberer. Dann brach er den trockenen Zweig in drei Teile und reichte einen davon Emma.
    »Wenn du ihn an irgendeiner Oberfläche reibst, wird er sich entzünden. Aber mach das nur, wenn du vorhast, zu uns nach unten zu kommen. Andernfalls sieht man dich meilenweit.« Er schaute Michael an. »Ich gehe vor.«
    Er schwang seine langen Beine über die Seite der Gruft. Michael und Emma beobachteten fasziniert und angeekelt zugleich, wie sich sein Fuß in die wimmelnde Flut aus Leibern senkte. Einen Moment lang sah es so aus, als ob die Kreaturen verwirbelt würden, dann verschwand erst der eine Fuß in dem Nest aus Ratten, dann der andere, gefolgt von seinen Beinen, seiner Brust und schließlich seinem Kopf.
    Die Kinder waren allein. Michael wandte sich zu Emma.
    »Ist dir warm genug?«
    »Ja.«
    »Stell dich nicht auf eine Gruft. Man kann Umrisse und Silhouetten auch im Dunkeln gut erkennen.
    »Okay.«
    »Und Geräusche werden über weite Strecken getragen, also kein Singen oder Pfeifen oder sonst irgendwas, klar?«
    »Klar.«
    »Ach, und starre nicht zu lange auf eine Stelle. Schau hin und dann wieder weg, dann wieder hin. Das ist ein alter Pfadfindertrick.«
    »Michael …«
    »Ja?«
    »Ich komme schon klar. Sei du auch vorsichtig.« Sie umarmte ihn und drückte ihn an sich. »Ich hab dich lieb.«
    Sie ließ ihn los und Michael stand einfach nur da. Er wusste nicht, was er sagen sollte.
    »Mach schon«, sagte Emma schließlich. »Dr. Pym wartet auf dich.«
    Michael nickte und stieg über die Seite des Sarkophags, holte tief Atem und ließ sich dann hinab.

»Nimm das.«
    Dr. Pym reichte Michael eine brennende Fackel. Sie befanden sich in einer großen Höhle direkt unter dem Sarkophag. Michael war nicht wohl dabei gewesen, in das Gewimmel aus Rattenleibern einzutauchen, und obwohl er wusste, dass es nur ein Trugbild war, presste er fest Mund und Augen zu, als er sich hindurchschob. Doch nichts biss oder kratzte ihn, und eine Sekunde später stand er vor einem Schacht, der sich im Boden des Grabmals vor ihm auftat. An seine Felswand war eine Leiter aus Eisensprossen eingelassen. Der Zauberer hatte von unten zu ihm hochgerufen und Michael hatte etwa dreißig Meter unter sich das rote Leuchten von Dr. Pyms Fackel gesehen.
    »So«, sagte Dr. Pym, als Michael schließlich neben ihm stand, »jetzt müssen wir überlegen, welchen Weg wir nehmen.«
    Die Höhle war anders als die Tunnel und Gänge, in die es Michael und seine Schwestern in Cambridge Falls verschlagen hatte. Decke wie Boden waren mit Stalagmiten und Stalaktiten besetzt, sodass es den Anschein hatte, als befände man sich in dem mit spitzen Zähnen bestückten Maul eines riesigen Tiers. Und überall war Wasser. Es tropfte mit einem ständigen Pling! Pling! Pling! von der Decke, säuselte in kleinen Rinnsalen über die Wände und sammelte sich in Pfützen am Boden.

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