Das Buch von Eden - Die Suche nach dem verlorenen Paradies
sein Schwert und knurrte wie ein in die Enge getriebener Wolf. Sein Gefährte schaute im Lauf über die Schulter, erkannte den Wagemut seines Freundes und warf sich kurz entschlossen herum. Mit blanker Klinge stürmte er zurück und stellte sich gemeinsam mit dem Knappen den Räubern entgegen.
» Da vorne! «, rief Favola. » Da sind noch mehr! «
Das letzte Licht der Abendsonne blitzte auf Eisen, weit entfernt bei der nächsten Wegkehre. Das Geschrei der Angreifer musste einen zweiten Räubertrupp alarmiert haben, der jenseits der Kehre einen weiteren Hinterhalt vorbereitete.
Die Gesetzlosen versuchten, die Königlichen von der Verstärkung abzuschneiden. Sichel musste über eine enorme Zahl an Männern gebieten, mehr als jeder andere Räuberhauptmann, von dem Aelvin jemals gehört hatte.
» Dort hinauf! « Albertus deutete im Lauf auf einen Hügel, der sich links von ihnen am Flussufer erhob. Auf seiner Kuppe ragten ein paar vereinzelte Felszacken empor wie die Krone eines vorzeitlichen Gottes, der dort einstmals begraben worden war.
Der Knappe und der Waffenknecht fochten derweil mit aller Entschlossenheit gegen die anbrandende Macht der Feinde. Sie waren ihren Gegnern an Kampfkunst weit überlegen, aber der Masse der Wegelagerer würden sie auf Dauer nicht trotzen können. Eisen hieb auf Eisen, Schreie ertönten, mal aus Wut, mal vor Schmerz. Noch mehr Blut färbte den Schnee, als der Knappe einem Räuber den Arm abhieb und ein dunkelroter Fächer das Kampfgeschehen teilte wie der Federschwanz eines exotischen Vogels.
Für Gesetzlose waren die Männer recht gut bestückt, mit Einzelteilen erbeuteter Rüstungen, mit Lederpanzern und dem einen oder anderen leichten Kettenhemd. Das Ungewöhnlichste an ihnen aber war der auffällige Schmuck aus Leder und Geweihspitzen, den sie trug en. Einige hatten sich ganze Kränze aus Hornenden um den Hals, die Schultern oder die Stirn gelegt. Archaische Symbole schmückten ihre zusammengewürfelte Kleidung, und es war keiner unter ihnen, der sein Gesicht nicht mit schwarzer, blauer oder blutroter Farbe angemalt hatte, grob mit den Fingern verstrichen, als wollten sie damit vergessenen Götzen huldigen. Sie sahen Furcht einflößend aus in ihrem heidnischen Anputz, unzivilisierter, grausamer Pöbel, der aus einer Zeit zu stammen schien, als in diesen Landen der Glaube an Blutgötter und lasterhafte Waldgeister vorherrschte. Räuber mochten sie sein, aber Aelvin ahnte, dass sie zudem noch etwas ganz anderes waren:
Teufelsanbeter womöglich, ganz sicher aber von jeglichem Glauben an Gott abgefallen.
Die Felsspitzen auf dem Hügel standen weiter auseinander, als es von unten den Anschein gehabt hatte. Keineswegs handelte es sich dabei um eine Art natürlichen Zinnenkranz, wie die Gefährten gehofft hatten, und sie boten keine Sicherheit. Zum Fluss hin war ein Teil des Hügels schon vor langem abgesackt und fortgerissen worden, sodass er nach Osten hin an einer Kante endete, hinter der eine Steilwand gut zwei Mannslängen tief in die reißenden Fluten abfiel.
Der zweite Räubertrupp war verborgen hinter einer Wolke aus aufstiebendem Pulverschnee und grellen Reflexen der Abendsonne. Er war noch weit entfernt, eine Ansammlung von Punkten in der Ferne. Es schien, als wären auch Reiter darunter; kein Wunder, denn die Pferde von Sava und den anderen tapferen Männern waren gemeinsam mit den Schädeln ihrer Herren verschwunden.
Aelvins Hand zitterte, als er das Kurzschwert unter seinem Mantel hervorzog. Es war eine hilflose Geste, und alles, was er in den Tagen auf der Donau über den Schwertkampf gelernt hatte, schien auf einen Schlag wie fortgewischt. Er war ein Zisterziensernovize. Was wollte er mit einer Klinge in der Hand? Es war lächerlich. Dann aber sah er den verbissenen Ausdruck auf Libuses Zügen, als sie ihre eigene Waffe aus der Rückenscheide riss und sich mit einem Wutschrei jenen Räubern zuwandte, die von dem Knappen und dem Knecht abgelassen hatten; die vermeintlichen Pilger auf dem Hügel erschienen ihnen als die leichteren Opfer.
Selbst Corax hielt nun sein Schwert in der Hand, und trotz seiner Blindheit bot er einen Respekt einflößenden Anblick: Wer nicht direkt in seine Augen sah, musste ihn aus der Ferne für einen mächtigen Krieger halten. Tatsächlich verlangsamten die vier Räuber ihre Schritte ein wenig, als sie den Hünen entdeckten.
Unten auf dem Schlachtfeld, zwischen den Leichen seiner einstigen Kameraden, erhielt der Knappe einen Schwerthieb
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