Das Büro
lassen!“ Kraftvoll schloss sie die Tür.
Beerta sah ihr nach. Dann wandte er sich seinem Schreibtisch zu und setzte sich. „Jetzt ist es aber gut!“, sagte er. „Mir haben die Knie gezittert. Auf die Weise kriege ich es auch noch am Herzen, genau wie Nijhuis.“
1962
Liebe Nicolien, lieber Maarten,
ein Frohes Neues Jahr. So gehört es sich, vorbehaltlich jeden kritischen Hintergedankens, der unvermeidlich ist. Das wissen wir schon lange, Frans, so stelle ich mir vor, werdet ihr nun sagen. Ihr werdet es mir also schon nicht übel nehmen. Außerdem habe ich seit einem Monat ein Zimmer im Amsterdamer Arbeiterheim, so dass dieses Thema auch schon abgehandelt ist. Ich bin also aus der Valeriusklinik entlassen worden. Das wusstet ihr vielleicht nicht, oder vielleicht doch. Es spielt keine Rolle. Was gibt es noch? Es sind nur Banalitäten. Den einzigen Kontakt, den ich noch zur Außenwelt habe, ist der Kontakt zu Dr. van der Meer, den ich alle vierzehn Tage besuche. Dr. van der Meer hatte einen Weihnachtsbaum bei sich stehen. Als ich wegging, dachte ich: Soll ich oder soll ich nicht? Ich entschied mich, es zu tun. Ich sagte: O ja, Frohe Weihnachten! – Vielen Dank, Herr Veen, und er lachte mir direkt ins Gesicht. Warum stellt er sich dann einen Weihnachtsbaum hin?
Wieder rede ich über meinen Arzt. Die einzigen Neuigkeiten, die ich empfange, stammen aus dem Kontakt zu dem Arzt. Denn es gibt keinen anderen Kontakt. Und darum fange ich an, ungenießbar zu werden. Ich verstehe das gut. Ich kann doch unmöglich über die Brände erzählen, die ich schon im Arbeiterheim gelegt habe, über die Zugunglücke, die ich geschehen sah, über die Nadeln, die man mir durch die Lippen sticht,über Wölfe, die sich gegenseitig umbringen, über die Reise, die ich doch nicht machen werde, über meine Abkehr von Buddha, über die rosa Farbe, die mein Zimmer zuletzt hatte. Und so weiter. Das müsste ich ausführlich beschreiben, wenn ihr es verstehen wolltet.
Mäuse im Bett, Käfer im Bett, Larven, die an der Wand entlangkriechen. Und dann plötzlich! Da fährt das Zimmer, mit mir darin, ins Universum: Da fahre ich zu Gott. Mal eben nachschauen, ob ich mich schon nähere. Weg! Wieder da. Viel zu neugierig gewesen.
Eine Kerze anzünden. Gerade so lange in die Flamme sehen, bis sie von selbst niedergebrannt ist. Kein Nebenfeuer machen. Wenn sie ausgebrannt ist, dann … Damit beschäftige ich mich, während ich zuschaue. Wenn an der Kerze schließlich nur noch eine kleine blaue Flamme brennt, dauert es noch eine halbe Stunde. Ich erinnere mich, dass ich eine ausführliche Beschreibung des Phänomens Gasflamme gemacht habe. Was geschieht, wenn die Kerze aus ist? Nichts, gar nichts. Tagelang liege ich im Bett, ohne einen Augenblick zu schlafen. Dann sage ich schließlich mitten in der Nacht laut, wenn es so still ist, dass ich einen Zug aus Haarlem ankommen hören kann: Ich werde hier verrückt. Und dann habe ich eine ähnliche Empfindung, wie ich sie damals, kurz vor der Einlieferung in die Klinik, hatte, als ich in das Stadion eingedrungen war.
Ich habe einen Fisch auf den Steinen totgeschlagen. Aber ich habe noch nie eine Spinne zerdrückt, eine Raupe zertreten. Ich habe einmal mit dem Fahrrad einen Frosch überfahren, aus Versehen. Doch ich habe mal gesehen, wie ein Pferd kastriert wurde, ich habe zugesehen, während es dort lag und schwitzte, schnaubte und sich schüttelte. „Hast du sie nicht alle, erzähl das deinem Psychiater, aber nicht uns.“
Ich habe euch die größten Widerwärtigkeiten, die geschehen sind und die nicht geschehen sind, vorenthalten.
Es ist nur zur Illustration, um euch eine ungefähre Vorstellung zu geben, wie es ist, wenn man ganz und gar allein ist mit seinem Unterbewussten, dass ich zu Recht immer sparsamer werde mit Worten.
Soweit es mich betrifft, gäbe es einen totalitären Staat, keinerlei Gedankenfreiheit. (Ich wäre übrigens schon lange kaputtgemacht worden.)
„Soweit es uns betrifft, schon, Frans“, oder: „Nein, nicht, Frans.“
Ihr seid sicher; es gibt jede Menge Möglichkeiten, den Gefahren auszuweichen. Ihr könnt es nicht begreifen.
„Ich liebe sie. Ich liebe sie nicht.“ Dann plötzlich: Es ist unmöglich, ich muss sie lieben, denn dieser eine Moment und dieser andere Moment. Eins zwei drei im Zug. Unterwegs. Die Frage des Psychiaters: Sind Sie homosexuell oder nicht? Wenn es so ist, darf ich nicht zu ihr gehen. Wenn ich mich mit dieser Frage beschäftige, suche ich nach
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