Das Büro
einer Ausrede. Beschäftige ich mich nicht damit, begegne ich jemandem, den ich idealisiert habe und der nicht existiert.
Dann wieder: Was bin ich jetzt? Habe ich ein Herz? Ja, denn ich stecke voller Ängste und Begierden. Ich fahre mit demselben Zug zurück. Ich bin nichts. Ich bin ein Feigling. Ich kann nur murmeln to be or not to be: Und es kann womöglich noch einmal in einem totalen Schlachtfest enden.
Ich gehe zu weit.
Ich erinnere mich an ein Gespräch mit euch. Ich habe es seinerzeit notiert und werde es für euch abschreiben, um euch zu zeigen, dass ihr mich nicht begreift.
Ich habe es gerade durchgelesen und beschlossen, es lieber doch nicht abzuschreiben. Es ist allzu hart, wenn ich es euch einfach so schicke. Dann lese ich es lieber mal vor.
Ach, es spielt auch keine Rolle.
So nehme ich es euch übel, dass ihr mich nie besuchen kommt. Doch wem nehme ich das nicht übel? Würde ich selber bei einem Griesgram zu Besuch kommen? Und wie? Ich kann mich hier kaum selbst bewegen.
Es gibt einen Mann, der hier wohnt, den ich auf den ersten Blick nett fand, der jedoch nur über seinen Kellnerberuf, Frauen und seine Leiden schwatzen und im Übrigen unglaubliche Mengen Kaffee trinken kann.
Schon seit Wochen tue ich so, als ob ich nicht zu Hause wäre. Ich habe seinerzeit gesagt, dass ich auf Reisen ginge. Und seit dieser Zeit kommt er mindestens einmal am Tag vorbei. Er nennt mich Franciscus.
„Franciscus, bist du schon wieder zu Hause?“
„Franciscus, bist du zu Hause?“
„Franciscus, schläfst du noch?“
„Franciscus! Er schläft sicher.“
Ich habe nie das Radio an, weil ich nicht zu Hause bin.
Ich habe die Vorhänge immer zugezogen und eine Lampe an, weil es hier bei Tageslicht nicht auszuhalten ist.
Mir ist niemals kalt. Ich habe ständig Durst. Ich habe wenig Appetit. Bücher lese ich nicht. Dann und wann lese ich Landkarten.
„Frans ist erloschen.“
Ganz und gar nicht. Vorige Woche habe ich noch ein Glas kaputtgeworfen. Sogar das kleine Wunder entgeht mir nicht auf meinen seltenen Gängen nach draußen. Das Blattgerippe einer Pappel, das ich vor einiger Zeit fand, füge ich als Beweis bei.
Plötzlich gehe ich nach draußen. Ich sehe mich um. Wo? Wo? Ich gehe weiter. Hinter mir ist ein Mädchen. Umdrehen, plötzlich umdrehen. Sie biegt links ab. Da geht eine Nonne mit einer Tasche in der Hand. „Schwester, hören Sie mir kurz zu: Es geht so nicht weiter.“ Sie biegt um die Ecke.
Ich nehme 4 statt 1 Tablette Largactil und 8 statt 1 Schlaftablette. Obwohl ich im Hinterkopf weiß, dass ich es überleben werde, lege ich mich ausgestreckt aufs Bett, falte die Hände auf der Brust und warte darauf, dass ich zu einer würdigen Leiche werde.
So, endlich. Ich treffe Entscheidungen. Einen Abend lang beschäftige ich mich nur damit, was ich tun werde. Ich überlege und überlege. Auf die Dauer zeigt sich, dass ich nichts anderes tue, als Lieder vor mich hinzusummen. Parlo mi d’amore und einen Marsch von Sousa, usw. Und immer wieder dieser Marsch. Ich drehe mich um und sehe Landschaften, doch zum Schluss kommen wieder die Lieder. Christliche Lieder, Soldatenlieder aus der Besatzungszeit, reihenweise Banalitäten.
Ich habe einmal gedacht, in meinem Zimmer meine Instinkte so anspannen zu können, dass das Gewebe reißt, die Haut platzt, Blut an die Wand spritzt und schließlich alle Dämme brechen. (Genau wie der Soldat, der sich die scharfe Granate vor den Bauch hält.) Doch dafür hat man Türen gemacht, und deshalb laufe ich immer weg.
„Jetzt treibst du es doch ein wenig zu bunt, Frans!“
Dennoch hatte ich vor nicht allzu langer Zeit den Plan, den ich früher schon einmal umgesetzt habe. Ich wohnte da; ich hatte ein Zimmer auf dem Spitzboden. Schließlich habe ich den Schrank und den Tisch auf dieLuke gestellt: Ich will sie nicht mehr sehen, ich gehe hier nie mehr weg. Unter allerhand Bedrohungen habe ich dort ungefähr anderthalb Tage verbracht. Dann hatte ich solch einen Hunger, dass ich herausgekommen bin.
Es ist das Prinzip der Säulenheiligen. Doch denen steckte man Lebensmittel zu.
Denn was will ich? Ich kann das Schloss so einstellen, dass es sich von außen unmöglich öffnen lässt. Ich kann die Tür noch zunageln, und den Schrank davor. Sie müssen das Schloss kaputtschießen, die Fenster einschlagen, aber dann ist es immer noch unmöglich, hereinzukommen, denn der Schrank ist an der Tür festgenagelt. Von der anderen Seite wird die Leiter vor mein Fenster gedreht, doch
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