Das Büro
bereichert“, tönte Balk mit erhobener Stimme und ausholender Geste, „sondern Sie waren auch ein wahrhafter Direktor im eigentlichen Sinn des Wortes, einer, der leitet, richtet, führt, schlichtet und verwaltet, der dieses Büro von einem Ein-Mann-Betrieb zu einem Institut ausgebaut hat, das über drei wissenschaftliche Abteilungen verfügt, an dem einundzwanzig gut ausgebildete Kräfte Lohn und Brot finden und das zudem auf die Unterstützung Hunderter, was sage ich: Tausender Ehrenamtlicher zählen kann, für die Ihr Name auf ewig mit Wissen, Gelehrsamkeit, geistigem Reichtum und weiser Einsicht verbunden sein wird. Das ist Ihr Verdienst, und nur Ihr – und zwar großes – Verdienst allein. Wir sind Ihnen dafür sehr dankbar und haben dieser Dankbarkeit mit einem Geschenk Ausdruck verleihen wollen, von dem wir wissen, dass wir Ihnen damit eine große Freude bereiten: die Gesamtaufführung der Naardener
Matthäus-Passion
unter Leitung von Doktor Anton van der Horst!“ Als nach den letzten Worten der Applaus losbrandete, nahm er ein quadratisches Geschenk, das inschwarzem, mit kleinen goldenen Musikinstrumenten verziertem Glanzpapier die ganze Zeit über vor ihm auf dem Tisch gelegen hatte, und begab sich an den anderen vorbei zu dem Platz, an dem Beerta saß, im vorderen Teil des zweiten Raums.
Beerta war aufgestanden und nahm das Geschenk mit einem steifen Nicken entgegen, während Balk ihm die Hand schüttelte. „Darüber freue ich mich sehr“, sagte er. „Das hätte ich nicht zu hoffen gewagt.“
„Und jetzt gebe ich das Wort an Frau Doktor Haan“, sagte Balk, als er wieder an seinem Platz saß.
Dé Haan stand auf, sie hielt einen Zettel in der Hand. „Lieber Anton“, in ihrer Stimme lag eine ungewohnte Wärme, „wir kennen uns schon so lange – in diesem Monat werden es fünfundzwanzig Jahre, auch wenn es dir nicht so bewusst sein mag –, dass du es mir sicher gestatten wirst, wenn ich meine Rede etwas familiärer halte als Jaap Balk das soeben getan hat. Als ich dir das erste Mal begegnet bin, als junge Studentin, konnte ich noch nicht ahnen, was für einen wichtigen Platz du in meinem Leben einmal einnehmen würdest, und wenn ich jetzt auf diese Zeit zurückblicke, kann ich mir dieses Leben nicht mehr ohne dich vorstellen. Du hast mich die Liebe zu der Arbeit gelehrt, die dein, aber auch mein Lebenswerk geworden ist, und du hast mich gelehrt, wie furchtbar wichtig es ist, was einfache Menschen uns zu erzählen haben. Dafür bin ich dir dankbar, und dafür werde ich dir immer dankbar bleiben, denn es hat mein Leben bereichert, wie es auch dein Leben bereichert hat, und ich betrachte es als ein großes Privileg, dies sagen zu können.“ Sie hatte einen Moment den Faden verloren und sah auf ihren Zettel. „Dabei ist mir natürlich sehr wohl bewusst“, sagte sie, während sie wieder hochsah, „dass wir auch oft Meinungsverschiedenheiten hatten, und ich kann mir vorstellen, dass ich es dir nicht immer leichtgemacht habe. Wenn dem so ist, dann lass es dir einen Trost sein, zu wissen, dass ich diese Meinungsverschiedenheiten, bei denen es stets um eine unterschiedliche Bewertung der besten Vorgehensweise bei wissenschaftlichen Problemen ging, immer schrecklich anregend fand und sie mich ganz oft den richtigen Weg aus all den Wegen, die sich uns eröffnet haben, wählen ließen. Deiner Weisheit, gereift in den schweren Jahren, die hinter dir lagen, standmeine Ungeduld gegenüber, die Ungeduld der Jugend, die stets schneller erreichen will, was doch einzig durch Überlegung und Weisheit erworben werden kann. Von dem Vielen, was ich von dir gelernt habe, ist das Letztere vielleicht das Allerwichtigste: das Gefühl für die Verhältnismäßigkeit der Dinge, gestützt durch ein tiefes Bewusstsein dafür, dass nun einmal alles seine Zeit braucht. Ich werde es vermissen, nun nicht mehr jeden Tag mit dir reden zu können und deinen Rat zu den vielen Problemen zu erbitten, mit denen wir in unserer täglichen wissenschaftlichen Arbeit konfrontiert werden, doch ich schätze mich glücklich, dass du vorhast, noch ganz oft hierherzukommen, und ich freue mich darauf, davon auch weiterhin zu profitieren. Ich danke dir.“
Auch ihre Ansprache endete in einem lauten Applaus. Beerta stand auf und machte eine leichte Verbeugung. „Vielen Dank, Dé“, sagte er gerührt.
„Sollen wir jetzt nicht erst eine Tasse Kaffee trinken?“, übertönte Fräulein Bavelaar das Stimmengewirr. „Herr Balk, sollen wir
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