Das Cassandra-Projekt: Roman (German Edition)
ziehen Sie einfach mit, einverstanden?«
»Okay, George. Wenn Sie mich brauchen, ich bin in meinem Büro.«
»Sie müssen nicht bleiben, Ray. Weinstein und Morris werden erst nach Mitternacht hier eintreffen.«
»Ich glaube, ich bleibe lieber. Ich bezweifle, dass ich noch Schlaf finde, ehe wir diese Sache aufgeklärt haben.«
Lyra hockte vor dem Fernseher und verfolgte die NBC-Nachrichten, deren Moderatorin gerade von der Mondmission berichtete. »… treten in einer Stunde in eine Erdumlaufbahn ein«, sagte sie. »NBC wird heute Abend umfassend berichten, und wir werden dort sein, wenn die Myshko landet. Wir hoffen, Sie bleiben solange bei uns.«
Dann ging es weiter mit dem regulären Programm, einer der abendlichen Diskussionsrunden. Angela Baker, eine attraktive Blondine, die üblicherweise auf der Seite der Regierung stand, unterhielt sich mit einem Gast, einem der Politikexperten des Senders. George hatte nie so recht gewusst, was jemanden dazu wohl qualifizierte.
Lyra blickte auf, als er das Zimmer betrat, zu ihr ging und sich neben sie setzte. »Nicht der angenehmste Arbeitstag, wenn ich das richtig sehe«, sagte sie.
Er wollte sie gerade fragen, wie sie darauf gekommen sei, als eine Statistik auf dem Bildschirm angezeigt wurde.
ZUSTIMMUNG FÜR CUNNINGHAM AUF
41 PROZENTPUNKTE GEFALLEN.
»Damit ist er um sechzehn Prozentpunkte abgesackt«, sagte Angela, »und das allein in den letzten zwölf Tagen.«
»Er ist abgestürzt«, meinte der Politikexperte.
»Eigentlich, Liebling«, sagte George, »haben wir möglicherweise endlich einen Durchbruch erzielt.«
»Ich meine«, fuhr der Politikexperte fort, »der Präsident hat es entweder nicht gewusst oder eben doch.«
»Wo kriegen die nur immer diese Typen her?«, fragte Lyra.
»Hat er es nicht gewusst, dann scheint er nicht auf dem Laufenden zu sein, und hat er es gewusst, dann hat er das amerikanische Volk belogen. Wie dem auch sei …«
»Denken Sie, er wusste es, Andy?«
Lyra berührte Georges Arm. »Du bist überall im Internet abrufbar, George, und du bist auf jedem Sender.«
»Nein, ich glaube, er hatte keine Ahnung«, sagte Andy. »Schauen Sie, wir reden hier von der größten Bürokratie der Welt. Da geht manches verloren. Aber das wird Cunningham auch nicht helfen …«
Lyra schaltete den Ton ab. »Also, was war das mit dem Durchbruch?«
»Wie es aussieht, hat Dick Nixon uns möglicherweise doch eine Nachricht hinterlassen.«
»Wirklich? Ist das dein Ernst?«
»Die Direktorin des Nixon-Museums ist gerade mit einer verschlossenen Kassette auf dem Weg hierher.«
Lyra lächelte ihm zu. Die Anspannung zehrte sichtlich an ihr. Alles war so gut gelaufen, bis diese Mondgeschichte aufgetaucht war. Und alles, was Lyra wollte, war, dass die Welt wieder so wurde wie zuvor. Die Aussicht, ins Weiße Haus einzuziehen, hatte Lyra geblendet. Die Aussicht, First Lady zu werden. Wäre seine Frau nicht gewesen, dann hätte George sich nicht so sehr um die Präsidentschaft bemüht. Ihm mangelte es an dem, was die Experten gern als Feuer im Herzen bezeichneten. Er wäre genauso zufrieden damit gewesen, irgendwo auf einem Berggipfel zu hausen, ein einfaches Leben zu führen, zu lesen, die Angel auszuwerfen und am Wochenende Bridge zu spielen.
Aber Lyra hatte darauf beharrt, dass das Land George brauche. Und sie hatte recht damit. Als er das Amt angetreten hatte, waren die US-Streitkräfte immer noch überall auf der Welt verteilt gewesen, die USA hatten Ressourcen vergeudet bei dem Versuch, einen imperialen Status aufrechtzuerhalten, aus Gründen, die niemandem verständlich waren. Präsident um Präsident war in das Amt gewählt worden, und nichts hatte sich geändert. Die Truppen blieben in Deutschland. In Japan. Und in etlichen Dutzend anderer Stützpunkte auf der ganzen Welt. Und dann war George gekommen, und alles hatte sich verändert.
Er hatte als Gouverneur von Ohio große Konflikte beigelegt und war eines Tages als Gast bei CBS Round Table aufgetreten und hatte erklärt, das Land werde erst wieder prosperieren, wenn es die imperialen Bestrebungen aufgebe. »Wir sind immer noch so aufgestellt, als wäre der Zweite Weltkrieg noch nicht ganz zu Ende«, hatte er dem Gastgeber gesagt. »Das muss sich ändern.« Und ehe er sich’s versah, ritt er auf einer Welle, die ihn den ganzen Weg bis ins Weiße Haus trug.
Alles war wunderbar gelaufen und gipfelte schließlich in der Eliminierung des weltweiten Arsenals an Nuklearwaffen. Ray war von der
Weitere Kostenlose Bücher