Das Cassandra-Projekt: Roman (German Edition)
Haar machte er einen liebenswürdigen Eindruck. »Der Präsident scheint mir ein guter Mensch zu sein. Aber ich vermisse die Geräusche der Raketenstarts. Wenn ich heutzutage in meinem Büro sitze, höre ich nur noch die Vögel.« Er sah sich zu Jerry um. Anscheinend überlegte er, ob er ihn kannte. »Vögel«, wiederholte er, »und gelegentlich auch Polizeisirenen.«
Eine Stunde später schaute sich Jerry TV-Aufnahmen an, die zeigten, wie Marine One auf dem Gelände der Raumfahrtbehörde startete. Schließlich rief Mary an.
Sie lächelte ihm vom Bildschirm aus entgegen. »Das lief ja wie am Schnürchen, Jerry, gut gemacht!«
9
Bucky war in die Zahlen der neuesten Kostenanalyse für den Mondflug vertieft, als Gloria Marcos sein Büro betrat.
»Ich dachte, ich hätte gesagt, ich will eine Stunde nicht gestört werden, während ich dieses Zeug lese«, brummte er und gab sich keine Mühe, seinen Arger aus der Stimme herauszuhalten.
»Das kann warten«, sagte Gloria. »Schalten Sie das Fernsehprogramm ein!«
»Welchen Sender?«
»Irgendeinen Nachrichtenkanal im Kabel. Sie bringen alle das Gleiche.«
Eine gut gekleidete Frau in mittleren Jahren stand auf einem Podium und beantwortete die Fragen diverser Reporter.
»Wer ist das?«, fragte Bucky.
»Maria Carmody«, antwortete Gloria.
»Muss mir das etwas sagen?«
»Sie ist die Tochter von Sidney Myshko.«
»Und?«
»Sehen Sie es sich einfach an!«
Was gefragt worden war, war nicht zu verstehen. Offenkundig gab es keine Mikrofone, die im Saal herumgereicht werden konnten. Aber Maria Carmodys Antwort war kristallklar:
»Ich wiederhole: Mein Vater hat nie einen Fuß auf den Mond gesetzt«, verkündete sie unerbittlich. »Glauben Sie ernsthaft, er wäre der erste Mensch auf dem Mond gewesen und hätte den ganzen Rest seines Lebens nie darüber gesprochen, nicht einmal mit seinem einzigen Kind?«
»Bucky Blackstone glaubt es!«, rief ein Reporter, und die versammelten Journalisten brachen in Gelächter aus.
»Ich bin nicht so sicher, ob Bucky Blackstone die Fähigkeit besitzt, über irgendetwas ernsthaft nachzudenken«, sagte sie. »Ich bin überzeugt, wenn es nach ihm ginge, würde man meinen Vater wieder ausgraben, um an seinen Füßen nach Mondstaub zu suchen.«
Wieder erklang Gelächter.
»Die macht Sie kalt, Bucky«, bemerkte Gloria leise.
»Ich war ja auch noch nicht am Start.«
»Und was war mit dieser halbstündigen Rede an die Nation?«, konterte sie.
»Saisonvorbereitung«, erwiderte Bucky. »Und jetzt halten Sie den Mund, ich will das hören!«
»Haben Sie eine Botschaft für Bucky Blackstone?«, fragte ein Reporter.
Maria Carmody starrte in die Kamera. »Mr Blackstone, ich kenne Sie nicht, und ich weiß nicht, warum Sie das tun … aber ich flehe Sie an: Wenn Sie auch nur einen Hauch menschlichen Anstands besitzen, dann lassen Sie meinen Vater in Frieden ruhen!«
»Sie ist gut«, stellte Bucky leise fest. »Ich frage mich, ob sie glaubt, was sie da sagt, oder ob jemand von der Regierung es mit ihr einstudiert hat.«
»Einer Frau, die noch nie geschauspielert hat, bringt man nicht so einfach bei, auf Kommando Tränen zu vergießen«, bemerkte Gloria.
»Mal angenommen, ich würde für einen kurzen Moment tatsächlich glauben, es gäbe irgendwo auf Erden eine Frau, die nicht auf Kommando in Tränen ausbrechen kann, wäre es immer noch möglich, dass sie einfach nervös ist«, entgegnete Bucky. »Oder, weil das neu für sie ist, weiß sie nicht, dass man nicht direkt in die Scheinwerfer starren darf. Die treiben jedem das Wasser in die Augen.«
»Sie greifen nach Strohhalmen, Boss.«
Bucky zuckte mit den Schultern. »Mag sein. Aber in einem Punkt tue ich das gewiss nicht: Washington lügt seit 1969.«
In diesem Moment kam Camden zur Tür herein. »Oh, wie ich sehe, haben Sie bereits eingeschaltet. Ich wollte Sie gerade darauf aufmerksam machen.«
Bucky wandte sich von dem Bild von Myshkos aufgelöster Tochter ab. »Was halten Sie davon?«
»Meine ehrliche Meinung?«, fragte Camden. »Ich glaube, ich werde die nächsten paar Monate damit beschäftigt sein, Ihre Zurechnungsfähigkeit zu verteidigen, obwohl ich eigentlich den Mondflug propagieren sollte.« Er legte eine Pause ein und starrte Bucky an. »Darf ich ganz offen sprechen?«
»Dafür bezahle ich Sie.«
»Nein, Sie bezahlen mich dafür, die Presse und die Öffentlichkeit zu manipulieren, aufrichtig, wenn möglich, unaufrichtig, wenn nötig.«
»Ich nehme alles zurück«, meinte
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