Das Cassandra-Projekt: Roman (German Edition)
dass Sie imstande sind, die Presse auf Distanz zu halten, Jerry. Man wird Sie wegen Blackstone bedrängen und wissen wollen, was Sie darüber denken.«
»Wir sagen die Konferenz doch nicht ab, oder?«
»Nein. Das können wir unmöglich tun. Aber ich bin der Meinung, es wäre ein guter Tag für Sie, um sich krankzumelden. Schicken Sie Vanessa vor! Soll die sich mit der ganzen Meute herumschlagen.« Jerry hielt nicht viel von der Idee, und er versuchte gar nicht erst, seine Gefühle zu verbergen. »Sie war uns im Bedarfsfall immer eine gute Unterstützung.«
Das war in jüngster Zeit zur Routine geworden. Jerry wurde einfach verbuddelt. »Mary …«
»Hat einer der Reporter Sie hereinkommen sehen?«
»Nein, ich war heute Morgen schon früh hier.«
»Gut.«
»Mary, ich halte das nicht für die richtige Vorgehensweise.«
Sie lehnte sich zurück, und die Fältchen um ihren Mund wurden tiefer. Mary hatte sich ihren Weg durch das heutzutage mühselige politische Alltagsgeschäft freigekämpft. Keine Gnade. Dem Gegner immer gleich an die Kehle gehen. Nie die nächste Wahl aus den Augen verlieren. Es war eine Welt, in der nichts so wichtig war wie Öffentlichkeitsarbeit. Wahrheit definierte sich durch die Anzahl der Menschen, die bereit waren, eine vorgegebene Behauptung zu glauben. Was im Zuge der Mondflüge vor einem halben Jahrhundert passiert war, war Mary weitgehend egal. Das Einzige, was für sie zählte, war die Auswirkung, die die damaligen Ereignisse derzeit auf die NASA haben könnten. Mit welchen Folgen zu rechnen wäre, wenn Jerry an diesem Morgen hinausginge und sich hinter dem Rednerpult aufbaute. »Warum nicht?«, fragte sie.
»Niemand wird uns abnehmen, dass ich ganz zufällig gerade heute krank bin. Ausgerechnet im Anschluss an Blackstones Sendung.«
»Interessiert uns denn, was die denken?«
»Geht es nicht genau darum? Mary, ich schaffe das schon!«
Langsam schüttelte sie den Kopf, doch nicht, um seine Worte zurückzuweisen. Offenbar fragte sie sich einfach, wie sie nur an diesen Punkt hatten kommen können. »Also gut. Aber Sie bewegen sich auf verdammt dünnem Eis. Versuchen Sie einfach, es hinter sich zu bringen, ohne es noch schlimmer zu machen, klar? Haben Sie irgendwelche Ankündigungen zu machen?«
»Ja.« Er hielt ein paar Karteikarten hoch. »Wir haben ein paar neue Bilder von der Kastelone-Galaxie …«
»Der was?«
»Kastelone-Galaxie. Eigentlich sind es zwei Galaxien. Kollidierende. Wir haben ein paar spektakuläre Bilder. Beide Galaxien sind größer als die Milchstraße.«
»Was haben wir sonst noch?«
»Drei weitere Exoplaneten mit Sauerstoffatmosphäre. Die Wissenschaftler glauben, dass es lebendige Welten sind.«
»Okay. Das ist gut.«
»Und es gibt weitere Hinweise darauf, dass die Sonne ein Doppelstern ist.«
»Wirklich?« Endlich entspannten sich Marys Züge wieder. »Es gibt noch einen Stern im Sonnensystem!«
»Er ist ein halbes Lichtjahr entfernt und zu dunkel, um ihn mit bloßem Auge zu sehen, aber er ist da.«
Mary schüttelte den Kopf. »Ich werd nicht mehr! Aber ich werde Ihnen sagen, was wir jetzt wirklich gebrauchen könnten.«
»Das wäre?«
»Eine Botschaft von Alpha Centauri.« Sie atmete tief durch und richtete den Blick auf das Fenster. »Wo sind die Außerirdischen, wenn wir sie nötig haben?« Jerry hörte Vogelgesang. Die Wahrheit war, dass seine Neuigkeiten keine waren, mit Ausnahme der zweiten Sonne. Er hatte sie nur wieder hervorgekramt, um sie für die Presse mit ein paar Einzelheiten anzureichern. »Also gut«, sagte Mary. »Es gefällt mir nicht, aber gut, machen Sie es! Versuchen Sie, über diese andere Sonne zu reden, und beschränken Sie Fragen auf das absolute Minimum!«
Die Pressekonferenz war wie üblich für zehn Uhr angesetzt. Doch an diesem Tag verschob Mary sie eine Stunde nach hinten. Die offizielle Begründung lautete, die Verschiebung sei durch eine Aktualisierung der elektrischen Anlage erforderlich. Die Wahrheit, so argwöhnte Jerry, war, dass Mary kein gutes Gefühl dabei hatte, ganz gleich, wer am Rednerpult stand, und die Konferenz deswegen so nahe wie möglich an die Mittagspause heranrückte.
Jerry schickte die Grafiken an den Projektor im Pressezentrum. Er war gerade dabei, seine Karteikarten zu ordnen, als Barbara sein Büro betrat. »Jerry«, sagte sie, »Dr. Edwards ist in der Leitung. Ich habe ihr gesagt, Sie wären beschäftigt. Aber sie behauptet, es sei wichtig.«
Jerry warf einen Blick zur Uhr. Er hatte noch
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