Das Cassandra-Projekt: Roman (German Edition)
gehört? Gerüchte? Irgendetwas?«
»Nie, Mr President.«
»Können Sie sich eine Situation vorstellen, die zwei geheime Flüge begründen könnte?«
»Nein, Sir.«
»Gar keine?«
»Naja, vielleicht wenn da oben irgendwo Aliens kampiert und uns gesagt hätten, wir sollen ihnen Pizza holen oder sie greifen uns an. Hören Sie, Mr President, ich kannte einige NASA-Leute noch aus dieser Zeit. Das Einzige, was für die gezählt hat, war, den Mond zu erreichen, und das Einzige, was für die Politik gezählt hat, war, den Russen zuvorzukommen. Es ist absolut ausgeschlossen, dass wir auf dem Mond gelandet sind und nichts darüber haben verlauten lassen!«
George hatte einen arbeitsreichen Tag vor sich, sogar nach den Maßstäben des Weißen Hauses. Eine Delegation aus dem Pentagon sollte um neun Uhr am Vormittag eintreffen. Dann erwartete ihn eine Konferenz mit seinen Wirtschaftsberatern und dem Finanzminister. Im Anschluss setzte er sich mit einigen Gouverneuren und einer kleinen Gruppe Pädagogen zusammen, um gemeinsam den Versuch zu unternehmen, die Schwachstellen des Schulsystems zu benennen. Die Vereinigten Staaten standen im Vergleich mit anderen westlichen Nationen, China und Japan nach wie vor schlecht da. Amerikanische Kinder lagen in beinahe jeder Kategorie am unteren Ende der Skala. Einige der Probleme waren George klar: Politiker erdachten Schulsysteme, als würden alle Schüler gewissermaßen im Gleichschritt marschieren. Die Bedeutung der Eltern für Erfolg oder Misserfolg ihrer Kinder wurde ständig übersehen. Es gab nach wie vor kein vernünftiges System zur Beurteilung von Lehrern, das es ermöglicht hätte, gute pädagogische Leistungen zu belohnen.
Alles, was vielleicht hätte getan werden können, um Abhilfe zu schaffen, schien auf den Widerstand örtlicher Traditionswächter zu stoßen, die sich einbildeten, sie würden alle Antworten kennen. Oder die Kommunalpolitik mischte sich ein. Oder die Lehrergewerkschaften. Oder Interessenvertretungen, die keinerlei Erfahrung auf diesem Gebiet hatten.
So wie der Tag begonnen hatte, ging es bis zum Abend weiter. Aber George konnte Bartlett nicht aus dem Kopf bekommen. Man hatte den Präsidenten über den Funkverkehr, bei dem nur Bartlett in der Kapsel reagiert hatte, ebenso informiert wie über Aaron Walkers Notiz über seine angebliche Landung im April 1969 und die Hinweise darauf, dass bei dem Myshko-Flug etwas Ähnliches vorgefallen sein durfte. Alles reichlich dünn. Trotzdem: Alles zusammen genommen, Blackstones Videoaufzeichnung oben draufgelegt, war die ganze Geschichte schwer zu erklären. Blackstone kam George zudem nicht wie der Typ Mensch vor, der leichtfertig seine Zeit verschwendete.
1969 war Nixon Präsident gewesen.
George musste mit einem der Insider des Weißen Hauses unter Nixon reden. Aber die meisten waren inzwischen tot. Längst tot.
John Dean war noch am Leben. Aber George bezweifelte, dass Dean dem Präsidenten nahe genug gewesen war, um bei einer Frage dieser Größenordnung ins Vertrauen gezogen zu werden. Es gab da aber noch jemand anderen …
Als die Verbindung zustande kam, war George in seinen Privaträumen. Dieses Mal ohne Skype. Nur Audio.
»Mr President, das ist ja eine Überraschung!« Jeder im Land kannte diese Stimme, diese immer noch kraftvolle Stimme, die noch nach so vielen Jahren den Eindruck von Macht und Kompetenz vermittelte. »Was kann ich für Sie tun?«
»Henry«, sagte George, »wie geht es Ihnen?«
»Gut, danke.«
»Schön zu hören. Ich habe das Gefühl, wir könnten hier Ihre Hilfe brauchen.«
Henry lachte. »Die Welt wird immer komplizierter, nicht wahr?«
»Scheint so. Ich nehme an, Sie haben nicht die Absicht, aus dem Ruhestand zurückzukehren?«
Wieder erklang herzhaftes Gelächter. »Ich glaube, Sie haben bereits einen sehr fähigen Außenminister.«
»Ja, John ist recht gut.« George legte eine Pause ein. Musik drang aus dem Nebenraum herein, wo Lyra mit den Mädchen ein Brettspiel spielte. »Haben Sie Blackstone letzte Woche gesehen?«
»Nein, Mr President. Aber mir ist bekannt, was er von sich gegeben hat.«
»Sie waren Berater für Außen- und Sicherheitspolitik unter Nixon, als wir auf dem Mond gelandet sind.«
»Das ist richtig.«
»Würden Sie eine Stellungnahme zu Blackstones Behauptungen abgeben?«
George hörte den Wind draußen durch die Bäume streifen. »Nein. Dazu habe ich nichts zu sagen.«
»Also schön, Henry. Wären Sie so freundlich, mir zu erklären, was da
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