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Das Chamäleon-Korps

Das Chamäleon-Korps

Titel: Das Chamäleon-Korps Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ron Goulart
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denn wohl sonst als unabhängiger Bürgermeisterschaftskandidat rumlaufen, wenn nicht in einer offenen, sauberen Stadt wie dieser?“
    „Ach, juble dir das doch unter die Vorhaut!“ sagte ein Mädchen in einer gestreiften Markise.
    „Zweiunddreißig Prozent der Nahrungsmittel, die ihr in euren WP-Zentren ausgeben solltet, sind für die kalten Büfetts in den Kurorten abgezweigt worden“, behauptete Kubert.
    Stoops setzte sich auf das Heck und ließ seine weißgestiefelten Beine nachlässig herunterbaumeln. „Ich würde sagen, daß das wohl eher achtzehn Prozent sind, Kubert. Du hast den Fehler begangen, die statistischen Zahlen für verdorbene Lebensmittel mitzuzählen.“ Er klatschte in die Hände. „Also dann, ich bin gekommen, um diese neue kostenlose Cafeteria der Wohlfahrtspatrouille einzuweihen.“ Er deutete über die Köpfe der Gruppe hinweg auf die verwaschene unterste Hütte in einem sechsstöckigen Hüttenhochhaus.
    Der Wind wurde stärker, und ein lockerer Fensterladen fiel von einem der Fenster aus simuliertem Dunkelglas herab. „Der Schuppen ist keinen Furz wert!“ rief ein junger Mann mit blonden Zöpfen. „Sol S. Mahones hat in der Küche siebzehn verseuchte Ratten gezählt.“
    „Mahones übertreibt, genau wie euer Bürgermeisterschaftskandidat“, sagte Stoops. „Die WP hat immer dafür Sorge getragen, daß es nicht mehr als fünf Ratten in unseren Zentren gibt. Als ich neulich hier eine Inspektionsrundreise gemacht habe, habe ich nicht einmal eine einzige verseuchte Ratte entdecken können. Wenn ihr mir nun gestatten würdet, herunterzukommen und das Band durchzuschneiden, dann können wir dieses schöne Speisezentrum sofort eröffnen. Es ist ein weiteres Beispiel für das soziale, menschliche Denken von Bürgermeister Kriegsspiel.“
    Ein weißer Stiefel ließ sich vom Heck herunter. Kubert, der Kandidat für das Bürgermeisteramt, riß sich von der Menge fort und packte den Stiefel. „Die Props sind das WP-Geseire leid!“ Erbrachte Stoops aus dem Gleichgewicht und zerrte ihn auf die staubige Straße hinab.
    „Ein echter Politiker braucht sich vor offenen Debatten nicht zu fürchten“, sagte Stoops, als Kubert sich auf ihn stürzte.
    „Flimpt ihn!“ sagte das Markisenmädchen.
    Ein Mädchen neben Jolson rief: „Die Stapo kommt!“
    Das mußte das Städtische Polizeikorps sein. Jolson entfernte sich langsam von dem Getümmel und schritt davon. Einige Früchte, die er nicht näher bestimmen konnte, segelten über seinen Kopf hinweg und schlugen das Hüttenfenster mit der handgemalten Aufschrift KOSTENLOSE CAFETERIA ein. Hinter ihm wurde elektronisches Sirenengejaule immer lauter. Jolson lief durch die auseinanderstiebende Randbezirksmenge, bog um eine Ecke und rannte einen halben Block weiter.
    Vor einer ganzen Generation war dieses Gebiet als Wohngegend für mittlere Einkommenschichten gebaut worden. Die Architekten und Bauunternehmer hatten den damals modischen Farmhausstil bevorzugt, bei dem zwischen fünf und zehn einstöckige Gebäude aufeinander gehäuft wurden, um ein Gebäude zu ergeben. Während der letzten sechs Jahre war die Gegend immer mehr verkommen. Man nannte sie nun den Randbezirk und überließ sie hauptsächlich den Jungen und Armen.
    Irgendwo im Randbezirk arbeitete Son Brewster jr. für Gruppe A. Jolson, der nun ein langer, schlaksiger Zwanzigjähriger war, der sich Will Roxbury nannte, mußte ihn ausfindig machen. Seine neue Identität war erfunden worden und brauchte deshalb nicht so vorsichtig vom Hintergrund her aufgebaut zu werden wie seine früheren Rollen. Er besaß neue Ausweise, etwas Bargeld und ein paar Kreditkarten und hatte sich eine Stunde lang mit der wieder aufgewachten Jennifer über die Gepflogenheiten des Randbezirks unterhalten können.
    Jolson verlangsamte seinen Gang, schritt über eine verrottete Pflastersteinstraße und ging um eine weitere Ecke. Eine schmale Hütte mit Holzbalkenfassade sagte zu ihm: „Die Liebe ist so allgegenwärtig wie das Licht.“
    Jolson entdeckte das Lautsprechergitter unter dem vergoldeten Türklopfer und antwortete: „Ich brauch’ keinen Stachelbeerslum“, und hoffte, daß ihn Jennifer korrekt über den Randbezirksjargon informiert hatte.
    In der Ferne ertönte eine Staposirene. Auf der Scheibe des kleinen Hüttenfensters standen die Worte ANDENKEN AN DEN RANDBEZIRK. Jolson blickte sich erst um, dann ging er hinein.
    Er war im Wohnzimmer der Hütte. Es diente als Ladenlokal. An allen Wänden hingen

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