Das Chaos-Casino
zermarterte sein Gedächtnis.
»Er ist kurz vor Ihnen hierher versetzt worden«, erklärte Brandy. »Es überrascht mich nicht, daß Sie sich nicht sofort an ihn erinnern können. Die meiste Zeit fügt er sich sozusagen ein und verschmilzt mit seinem Hintergrund. Ich hab’ allerdings den Verdacht, daß er schon früher in der Regulären Armee gedient hat, und höchstwahrscheinlich nicht nur als einfacher Soldat.«
»Ich werde es im Auge behalten, Brandy. Danke!« »Soll ich ihn gleich holen? Er steht hier draußen in der Freiwilligenschlange.«
»Schon in Ordnung. Ich spreche mit ihm, wenn er an der Reihe ist.«
»Na ja, jedenfalls dachte ich mir, daß Sie mich vielleicht als Toilettenaufseher oder Portier gebrauchen könnten, Sir. Ich wäre wahrscheinlich ein bißchen weniger auffällig als die meisten Burschen - bei meinem Alter und so.«
Narrisch musterte die Gestalt, die vor ihm saß; er achtete mehr auf Einzelheiten als auf die Worte des Legionärs.
Der Mann war überdurchschnittlich groß und hatte einen Brustkorb wie ein Faß, obwohl seine strenge Körperhaltung wahrscheinlich beides überbetonte. Sein Kopf war so unbehaart wie eine Billardkugel - bis auf den hellroten Bürstenschnurrbart, der sein Gesicht beherrschte und ihm seinen Legionsnamen eingetragen hatte. Narrisch fiel auf, daß dieser Gesichtsschmuck zweifellos gefärbt war; denn wenn man das Alter bedachte, das in der Akte des Mannes eingetragen war, hätte der Bart eigentlich schlohweiß sein müssen. So aber war der einzige Hinweis auf Moustaches fortgeschrittenes Alter die faltige Haut an seinem Hals ... doch selbst das war kaum zu bemerken, wenn man nicht ganz gezielt hinschaute.
»Hmmm?« Der Kommandant kniff die Augen zusammen, als er plötzlich merkte, daß der Legionär seine Vortrag beendet hatte und nun auf eine Antwort wartete. »Entschuldigen Sie, Moustache. Da bin ich gerade für einen Augenblick abgeschweift.
Um ehrlich zu sein, ich habe darüber nachgedacht ... Sind Sie sicher, daß Sie sich freiwillig zur Untergrundarbeit melden wollen? Sie ... äh, scheinen in einer Uniform doch sehr viel mehr zu Hause zu sein.«
Es war ein unbeholfener Schachzug, aber Narrisch wurde langsam müde und mußte unbedingt eine taktvolle Möglichkeit finden, das Gesetz der Legion zu umgehen, nie nach der Vorgeschichte eines Legionärs fragen. Zum Glück machte Moustache es ihm leicht.
»Da haben Sie mich wohl durchschaut, wie, Sir?« Und er lächelte plötzlich. »Na ja, ich denke, es war wohl doch nur eine Frage der Zeit, bis das herauskommen würde. In einem derart engen Gefüge wie diesem können sich Geheimnisse nicht lange halten.«
»Soll das bedeuten, daß Sie vor Ihrem Eintritt in die Weltraumlegion bereits militärische Erfahrung gesammelt haben?« hakte der Kommandant nach.
»So könnte man es ausdrücken, Sir. Fast vierzig Jahre in der Regulären Armee, bevor man mich gefeuert hat - Zwangspensionierung, um genau zu sein.«
Verblüfft sah Narrisch wieder in die Akte des Mannes. Den Unterlagen zufolge hatte Moustache schon eine Menge Jahre auf dem Buckel, aber wenn er schon vierzig Jahre in der Regulären Armee gedient hatte, dann mußte er ja mindestens ...
»Bevor Sie irgend etwas sagen, Sir, ich habe tatsächlich meinen Geburtstag um ein paar Jahre geschönt, als ich meine Verpflichtungspapiere ausfüllte. Es heißt zwar, daß die Legion jeden Bewerber annimmt, aber ich wollte doch nicht das Risiko eingehen, abgelehnt zu werden.«
»So scharf drauf waren Sie, in unseren Verein zu kommen?«
»Ehrlich gesagt, Sir, war es meine letzte Hoffnung. Wissen Sie, Sir, als die Reguläre Armee mich in den Ruhestand schickte, dauerte es nicht lange, bis ich feststellen mußte, daß es im Zivilleben keinen richtigen Platz für mich gibt. Ich war zu alt, um zur Polizei zu gehen, und eine Existenz als Nachtwächter ist mir immer wie ein Wettlauf vorgekommen, wer wohl zuerst Staub und Spinnweben ansetzt: der Wächter oder das Zeug, das er bewachen soll.«
»Ich nehme an, daß es wohl nicht auf Ihrer Optionsliste stand, das Leben nunmehr ruhig anzugehen und Ihre Pensionierung zu genießen?«
»Verdammt unwahrscheinlich«, schnaubte der Legionär. »Die Armee hat mich immer auf Trab gehalten - das heißt, bis einer ihrer Computer anfing, meine Geburtstage zusammenzurechnen. Nach Jahren der Arbeit - selbst mit Aufträgen, die nur Beschäftigungstherapie waren - klang mir die Vorstellung, nichts mehr zu tun, allzu sehr nach Tod. Ich meine,
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