Das Comeback
aufbewahrte. Er hatte Schokoladenriegel dabei – Hershey-Schokolade mit Mandeln. Die gleichen, die er vor vielen Jahren mit in den Dschungel genommen hatte. Und wie in jener Nacht im Elefantengras hatte er sich seit endlos langer Zeit nicht bewegt. Es war dunkel, und nur etwas Mondlicht schimmerte durch das Laubdach. Er wartete. Er hätte gern geraucht, aber er konnte es nicht riskieren, in der Dunkelheit ein Streichholz anzustecken. Ab und zu glaubte er Edgar zu hören, wie er zwanzig Meter weiter seine Lage veränderte, aber er konnte sich nicht sicher sein, ob es sein Partner war oder ein Reh oder ein Coyote, der vorbeistrich.
George hatte ihm gesagt, daß es hier Coyoten gab. Als Bosch den alten Mann auf den Rücksitz von Kiz’ Wagen gesetzt hatte, um ihn ins Hotel zu bringen, hatte er Bosch gewarnt. Aber Bosch hatte keine Angst vor Coyoten.
Der alte Mann war nicht bereitwillig gegangen. Er glaubte, daß sie ihn ins Camarillo zurückbringen würden. Und die Wahrheit war, daß das der richtige Platz für ihn gewesen wäre, aber die Anstalt würde ihn nicht wieder aufnehmen, nicht ohne behördliche Einweisung. Statt dessen würde er ein paar Nächte im Mark Twain Hotel in Hollywood genießen. Bosch hatte dort mehr als ein Jahr gelebt, während sein Haus wieder neu aufgebaut wurde. Das schlechteste Zimmer dort war tausendmal besser als eine Plane im Wald. Aber Bosch wußte, daß George es nicht so sehen würde.
Um halb zwölf war der Verkehr oben auf dem Mulholland Drive spärlich geworden. Alle fünf Minuten ein Auto. Bosch konnte sie wegen der Steigung und dem Laubdach nicht sehen, aber er konnte sie hören und sah, wie ihre Scheinwerfer durch das Laubdach über ihm fluteten, wenn sie um die Kurve fuhren. Er war jetzt hellwach, weil in den letzten fünfzehn Minuten ein Wagen zweimal langsam vorbeigefahren war. Einmal in beide Richtungen. Bosch hatte das Gefühl, daß es der gleiche Wagen war, weil der Motor einen fehlerhaften Zylinder hatte und überdreht war.
Und jetzt kam er zum dritten Mal zurück. Bosch lauschte aufmerksam, während er das bekannte Motorengeräusch hörte. Und diesmal gab es das Geräusch von Reifen auf Schotter. Der Wagen verließ den Asphalt. Ein paar Augenblicke später erlosch der Motor, und die folgende Stille wurde nur von den Geräuschen einer Wagentür unterbrochen, die geöffnet und dann geschlossen wurde. Bosch ging langsam in die Hocke und in Bereitstellung, auch wenn seine Knie schmerzten. Er schaute in die Dunkelheit zu seiner Rechten und sah nichts. Dann sah er den Abhang hinauf und wartete.
Nach ein paar Sekunden konnte er das Licht einer Taschenlampe sehen, das durchs Gehölz drang. Der Strahl war auf den Boden gerichtet und pendelte hin und her, während der Besitzer der Taschenlampe langsam den Abhang herunterkam – und auf das Zeltdach zu. Unter seinem Poncho hielt Bosch seine Waffe in einer Hand und eine Taschenlampe in der anderen – den Daumen auf dem Schalter, bereit sie anzumachen.
Die Bewegung des Lichts stoppte. Bosch schätzte, die Person hatte den Punkt gefunden, wo der Kleidersack hätte liegen sollen. Dann wurde der Strahl hoch gerichtet und strich durch das Wäldchen und ging für den Bruchteil einer Sekunde über Boschs Gesicht. Aber der Strahl kehrte nicht zurück. Statt dessen blieb er bei der blauen Plane stehen, wie Bosch erwartet hatte. Das Licht näherte sich, die Person, die die Lampe hielt, stolperte, während sie auf Georges Unterschlupf zuging. Ein paar Sekunden später sah Bosch, wie der Strahl sich hinter der Plane bewegte. Er fühlte, wie ihm Adrenalin durch die Adern schoß. Wieder hatte er ein Flashback von Vietnam. Er war im Tunnel und näherte sich dem Feind. Angst und Nervenkitzel. Erst als er sicher wieder nach Amerika zurückgekehrt war, hatte er sich eingestanden, daß er Nervenkitzel verspürt hatte. Und auf der Suche nach einem Ersatz für diesen Kitzel war er der Polizei beigetreten.
Bosch richtete sich langsam auf und hoffte, daß seine Knie nicht knacken würden, während er das Licht beobachtete. Sie hatten den Kleidersack unter dem Zeltdach versteckt, nachdem sie ihn mit zerknülltem Zeitungspapier vollgestopft hatten. Bosch begann sich so leise wie möglich auf die Plane hinzubewegen. Er kam von links. Sie hatten verabredet, daß Edgar sich von rechts nähern würde, aber es war zu dunkel, um ihn zu sehen.
Bosch war nun drei Meter entfernt, und er konnte das aufgeregte Atmen des Mannes unter der Plane hören. Dann vernahm
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