Das Dalai-Lama-Prinzip fuer Kollegen
kritische Situationen, die im Arbeitsalltag immer wieder auftreten werden. Sechs dieser Krisensituationen wollen wir jetzt genauer betrachten.
Stress und Burn-out – dem Risiko der Überforderung entgeh en
Vor über 20 Jahren arbeitete ich als Redakteur eines großen deutschen Wochenmagazins. Ich hatte kurz zuvor mein Studium abgeschlossen und begann meine Karriere als Redakteur im Wirtschaftsressort. Die Arbeitsbedingungen in dem Medienunternehmen waren grundsätzlich anderer Art als in der Universität. Während ich früher Tage und Wochen Zeit für einen wissenschaftlichen Artikel hatte, ging es jetzt darum, möglichst schnell zu arbeiten. Aktualität war entscheidend: Oft fiel erst wenige Stunden vor Redaktionsschluss die Entscheidung, was veröffentlicht wurde. Schon in den Tagen vor Redaktionsschluss wurde bis spät in die Nacht gearbeitet, und das zum Teil umsonst: Aus aktuellen Gründen wurde am Donnerstag vieles von dem, was am Dienstag oder Mittwoch geschrieben wurde, wieder vom Produktionsplan gestrichen, fertig layoutete Geschichten landeten im Papierkorb.
Manchmal geschah dies auch aus anderen Gründen: Jeder Text wanderte durch einen hierarchischen Flaschenhals: vom Ressortleiter zum Textchef, zum Stellvertreter und dann zum Chefredakteur. Dass manchmal ein Text bis zu fünf Mal komplett umgeschrieben wurde, war eine Selbstverständlichkeit. Genauso wie die Tatsache, dass die Arbeitszeit an den Produktionstagen von 9.30 Uhr morgens bis 1 Uhr nachts dauerte. Unternehmenskultur, Führungsprinzipien, Wertschätzung– solche weichen Faktoren spielten hier keine Rolle. Wer seine Leistung nicht pünktlich lieferte, wurde beschimpft oder kurzerhand hinausgeworfen. In dieser Zeit erlebte ich am eigenen Leib, welche Folgen permanenter Stress und psychischer Druck auf einen Menschen haben: Ich schlief schlecht, wachte nachts schweißgebadet auf, hatte Herzrhythmusstörungen, fühlte mich schon am Morgen erschöpft, vernachlässigte mein Privatleben, wurde immer gereizter. Nachdem ich miterlebte, wie zwei meiner Kollegen einen Herzinfarkt erlitten, zog ich schließlich die Notbremse und kündigte. Ich hatte Glück, denn ich hatte gerade ein Angebot eines anderen Verlags bekommen. Viele Menschen haben dieses Glück nicht. Sie müssen in einer für sie vollkommen unbefriedigenden Situation mit ihrem Job weitermachen.
Immer am Limit– die Gefahr der Grenzüberschreitung
Doch nicht nur Probleme am Arbeitsplatz bergen Risiken für unser Wohlbefinden und unsere Gesundheit. Wenn wir Freude an einer Aufgabe haben, sind wir motiviert und überaus leistungsbereit. Wir stecken uns Ziele und verfolgen diese mit großem Engagement. Bewältigen wir diese Aufgaben, steigert sich unsere Motivation weiter – schließlich ist kaum etwas motivierender als Erfolg. Eine Zeit lang geht das gut. Doch irgendwann wird eine Grenze erreicht, die wir nicht überschreiten können. Jeder von uns hat seine physischen und psychischen Grenzen, unsere körperliche und geistige Leistungskraft und unsere verfügbare Zeit sind nicht unerschöpflich. Wer diese Grenzen nicht respektiert, wird früher oder später in eine problematische Situation geraten. Dies gilt vor allem dann, wenn man sich körperlich dauerhaft überbeansprucht oder versucht, die Leistungsfähigkeit mit Alkohol, Zigaretten, Medikamenten oder anderen Drogen zu steigern.
Ruhephasen gehören in unserem anstrengenden Arbeitsalltag dazu und sind für die Regeneration unerlässlich. Nur wenn wir regelmäßige Auszeiten nehmen und uns anderen Interessen und Menschen widmen, können wir unser Arbeitspotenzial erhalten, neue Energie finden und innovative Ideen entwickeln. Sicherlich gibt es Zeiten, die ein erhöhtes Engagement und Überstunden notwendig machen; diese müssen allerdings die Ausnahme und nicht die Regel sein. Kein Mensch kann dauernd Höchstleistungen erzielen. Schaffen wir es nicht, uns zu regenerieren, werden wir in Zukunft immer anfälliger für Krankheiten und psychische Verstimmungen, und am Ende sind wir nicht einmal mehr in der Lage, durchschnittliche Leistungen zu erbringen.
Der durch permanentes Arbeiten an der Kapazitätsgrenze bewirkte Leistungsverlust wird heute als Burn-out bezeichnet und wurde 1974 zum ersten Mal durch den New Yorker Psychoanalytiker Dr. Herbert Freudenberger beschrieben. Burn-out bezeichnet einen Zustand, in dem das Leben geradezu aus den Fugen gerät, der normale Kreislauf aus Herausforderung, Bewältigung, Erfolg und neuer
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