Das Dalai-Lama-Prinzip fuer Kollegen
Gewohnheiten können uns aber auch zum Nachteil gereichen, wenn wir sie nicht immer wieder hinterfragen. Denn es besteht die Gefahr, dass wir uns ungewollt in die falsche Richtung entwickeln. Denken Sie an die persönlichen Faktoren eines Burn-outs: Die Suche nach Anerkennung kann dazu führen, dass man süchtig nach Lob wird, dass man sein Selbstbewusstsein von außen abhängig macht. Hohe Leistungsbereitschaft kann dazu führen, dass man seine Leistungsfähigkeit überschätzt.
Niemand ist in seinem Job dagegen gefeit, einer Vielzahl von falschen Einschätzungen zu unterliegen: Wir halten uns für unentbehrlich, wir glauben, keine Alternativen zum einmal eingeschlagenen Berufsweg zu haben, wir fühlen uns abhängig von bestimmten Menschen… Aber stimmt das tatsächlich? Schätzen wir die Situation wirklich korrekt ein? Können wir nur in der Art und Weise denken und handeln, wie wir das schon immer getan haben? Es ist die Macht der Gewohnheit, die uns scheinbar dazu zwingt: Wenn Sie plötzlich eine neue Aufgabe übertragen bekommen, die überdurchschnittlichen Einsatz erfordert, werden Sie von vornherein Überstunden als unausweichlich einkalkulieren. Bei der nächsten Auseinandersetzung mit einem Mitarbeiter wird Ihre Argumentationslinie die gleiche wie beim letzten Mal sein. Am Morgen auf dem Weg zur Arbeit (wahrscheinlich die gleiche Route wie immer) sind Sie in Ihren Gedanken bereits beim vorhersehbaren Tagesablauf.
Aber so müsste es nicht sein. Organisieren Sie Ihre neue Aufgabe einmal nach anderen Prinzipien. Kommunizieren Sie mit Ihren Mitarbeitern einmal in einem anderen Stil. Fahren Sie eine andere Route oder mit einem anderen Verkehrsmittel zur Arbeit, und malen Sie sich für den Arbeitstag eine andere Strategie als am Tag zuvor aus. Sich immer wieder neu zu entdecken, hilft, kreative Lösungen zu finden.
Konfrontieren Sie sich auch damit, was passiert, wenn Sie bestimmte Gewohnheiten plötzlich aufgeben. Bislang haben Sie nie Nein gesagt, wenn Überstunden gefordert waren? Was könnte passieren, wenn Sie das nicht mehr tun? Vielleicht bleibt die Anerkennung aus. Leiden Sie wirklich darunter, oder stellen Sie fest, dass Sie ohne Lob genauso gut leben können? Sie verlieren Ihren Job? Könnten Sie einen neuen Arbeitsplatz finden, in dem Sie Ihre Fähigkeiten viel besser einbringen können? Spielen Sie ruhig in jeder Situation verschiedene Alternativen durch und versuchen Sie sich bewusst zu machen, wo Sie die Situation realistisch einschätzen oder wo Ihre Sicht der Dinge durch Wünsche und Hoffnungen, Ängste und Sorgen getrübt ist.
Unsere Gedanken und Gefühle basieren auf Erfahrungen in der Vergangenheit, die längst nicht mehr unserer heutigen Situation angepasst sind. Manchmal verstellen sie den Blick auf die Realität, sie geben uns nur ein sehr eingeschränktes Bild unserer Möglichkeiten und reduzieren die Alternativen, die wir im Leben haben. Tatsächlich besitzen wir aber von diesen Alternativen gerade heutzutage viel mehr, als wir denken– wir können umsteigen, aufsteigen und aussteigen. Wir können uns neu erfinden. Dazu müssen wir aber auch lernen, uns Bewertungen möglichst zu enthalten. Was wir als gut oder schlecht empfinden, hängt nämlich ebenfalls stark von unseren alten Gewohnheiten und gespeicherten Gefühlen ab. Wenn man immer automatisch und reflexartig bestimmte Vorfälle, Situationen oder das Verhalten anderer als richtig oder falsch, gut oder böse bewertet, geht einem viel Handlungsspielraum verloren. Denn mit der Bewertung ist das Problem quasi erledigt– man erfährt dann nichts mehr über die Beweggründe einer Person oder die positiven Chancen, die sich durch eine negative Situation ergeben.
Der Buddhismus lehrt uns, einen bestimmten Zustand so anzunehmen, wie er ist, und möglichst wertfrei und gefühlsneutral zu betrachten, wie er entstanden ist, wer daran mitwirkt, wie er bewältigt werden kann. Von dieser Warte aus können wir uns unterschiedliche Szenarien überlegen, die uns dann die Möglichkeit geben, bewusst zu handeln– und anders zu handeln als bisher. Sprechen Sie darüber auch mit anderen Menschen, holen Sie die Meinung Ihres Partners, Ihrer Kinder oder Ihrer Freunde ein. Hören Sie aufmerksam zu, was andere zu sagen haben. Sie werden überrascht sein, wie viele Facetten das Leben haben kann.
Achtsam sein, eine neue Perspektive einnehmen, Wissen erwerben, nicht zu schnell Werturteile fällen– diese buddhistischen Prinzipien sind die Voraussetzung
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