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Das Diamantenmädchen (German Edition)

Das Diamantenmädchen (German Edition)

Titel: Das Diamantenmädchen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ewald Arenz
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nicht er sie irgendwann eingeladen? Sie dachte unlogisch und unvernünftig und wollte ihm die Schuld geben. Aber sie nahm sich zusammen.
    »Nein«, sagte sie, »ich sage es ihm nicht. Ich lasse dich nicht fallen. Solange ich behaupte, dass du mit mir warst, so lange kann er dich nicht verhaften. Und wo warst du an dem Abend wirklich?«
    Sie hatte angriffslustig gefragt, in verletzendem Ton.
    »Ich war zu Hause«, antwortete Paul, »aber das hätten sie mir doch nicht geglaubt. Dieser verfluchte Anhänger!«, sagte er bitter.
    Lilli wusste nicht, ob sie ihm glauben sollte. Sie kannte ihn seit so vielen Jahren. Sie hatten ihre Eltern so oft angelogen, dass sie jede Nuance seiner Stimme kannte, und sie wusste: Er sagte nicht die ganze Wahrheit.
    »Wollen wir über das Alibi sprechen?«, fragte sie fast geschäftsmäßig. Paul nickte. Und während sie zwischen den Vitrinen mit ihren ausgestopften Kolibris und Papageien, mit ihren Riesenfröschen und Riesenschlangen, ihren seltsamen Spinnen und Raupen hin- und hergingen, besprachen sie sich bis ins Detail über alles, was an diesem Abend hätte geschehen können.
    »Haben wir miteinander geschlafen?«, fragte sie schließlich brüsk aus dem Wunsch heraus, ihn aus seiner Reserve zu locken, ihm ein Gefühl ihr gegenüber herauszulocken. »Bis jetzt habe ich nur gesagt, dass wir miteinander gegessen haben.«
    »Ja«, sagte Paul knapp und ohne aufzusehen, »das wirkt glaubwürdiger, wenn es erst später kommt.«
    Auf seltsame Weise gab ihr diese Lüge ein Gefühl der Genugtuung. Sie bedeutete, dass er sie noch immer wollte, dass er sie vielleicht noch liebte. In diesem Moment verfluchte sie alle Diamanten. Sie waren schuld, dass alles so verfahren war, dass sie nicht einfach zueinander kommen konnten.
    »Da ist noch etwas«, sagte Paul schließlich, als sie fertig und alles mehrfach durchgegangen waren.
    Sie blieben bei einer Vitrine mit ausgestopften tropischen Fischen stehen. Der Künstler hatte sich größte Mühe gegeben, das Diorama so natürlich wie möglich erscheinen zu lassen, und ein ganzes Bühnenbild geschaffen. Steine, künstliche Wasserfarne aus Papier, an seidenen Fäden so gehalten, als wiegten sie sich im Wasser; Kiesel, Sand, ein paar präparierte Krebse über einem halb skelettierten Fisch und schließlich die schillernden, schreiend bunten Fische, die ebenfalls an feinen Fäden vor einem blauen, so blauen, gemalten Meer hingen, aus dem in der Ferne noch eine üppig grüne Vulkaninsel aufstieg. Es war eine Szene, in die irgendein Biologiestudent wohl all seine Sehnsucht hineingelegt haben musste.
    »Was?«, fragte Lilli.
    Paul zog ein Stück Papier aus der Brusttasche.
    »Von Schubert hat mir telegraphiert. Er zieht den Auftrag zurück und möchte, dass ich ihm die Steine wiedergebe. Heute Abend noch.«
    Lilli verstand nicht gleich.
    »Warum?«, fragte sie perplex.
    »Wahrscheinlich«, antwortete Paul bitter, »weil die Reichsregierung keine Geschäfte mit einem Mörder machen will.«
    »Ich komme mit!«, sagte Lilli nach einer kleinen Pause. »Ich werde ihm sagen, dass du nichts damit zu tun hast. Wann trefft ihr euch?«
    Paul hatte eine abwehrende Handbewegung machen wollen, aber er sah, dass Lilli fest entschlossen war.
    »Um sieben«, sagte er, »in der Matthiaskirche in Schöneberg.«
    Lilli nickte.
    »Ich werde da sein. Ach, Paul«, sagte sie dann noch, »hast du die Diamanten schon bei dir?«
    Paul schüttelte unvermutet lächelnd den Kopf.
    »Nein. Man muss das Schicksal ja nicht herausfordern. Wieso?«
    Lilli hob die Schultern.
    »Nur so«, sagte sie zögernd, »ich weiß nicht, ob nicht …« Sie stockte und sah zu Boden. Dann holte sie tief Luft und sah Paul ins Gesicht.
    »Es kann sein, dass sie dich noch einmal verhören wollen. Dass sie dich suchen, verstehst du? Vielleicht solltest du lieber nicht heimgehen.«
    Paul sah sie fragend an, länger als ihr angenehm war. Er ahnt, woher ich das weiß, dachte sie, aber sie hielt seinem Blick stand. Dann nickte er und nahm sein Notizbuch heraus.
    »Ich schreibe dir einen Zettel für Gerda«, sagte er, »damit sie dich in die Werkstatt lässt. Du weißt ja, wo der Schlüssel ist.«
    Lili nickte. Es war seltsam, daran erinnert zu werden, wie groß das Vertrauen der van der Laans in die Kornfeldkinder immer gewesen war – seit ihrer Jugend wussten sie, wo der Schlüssel zur Schleiferei hing. Paul schrieb ihr einen zweiten Zettel.
    »Das ist die Kombination für den Safe«, sagte er dann und reichte ihn

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