Das Doppelgrab in der Provence
vom Kaiman bis zur Brieftaube. Sie aßen gemütlich zu Mittag, dann fuhren sie nach Montpellier, um die Nichte des großen Druiden Pierrot-le-Flonflon heimzusuchen.
Mit erfreuter Verblüfftheit drückte Ariane die Hand von Gaston Pennec. Sie hatte sich einen Druiden anders vorgestellt. Monsieur Pennec war klein, kugelförmig, hatte ein zartrosa Gesicht und eine weißgeränderte Tonsur. Seine Nichte trug Schwarz. Sylvie Ladurie begrüßte sie herzlich.
»Willkommen«, sagte sie, als sie in das geräumige Haus in einem guten Vorort von Montpellier traten. »Fühlen Sie sich wie zu Hause. Von Ihnen habe ich ja schon viel gehört, Monsieur Matzbach.«
Im Wohnzimmer, durch das man mit einem Pferd hätte reiten können, tranken sie Kaffee und Cognac. Pennec nutzte die Gelegenheit, als seine Nichte sich für einige Minuten entschuldigte.
»Ihr Mann war Professor an der hiesigen Universität«, sagte er. »Medizin. Außerdem hatte er natürlich auch eine Praxis. Er ist vor ein paar Wochen mit dem Wagen verunglückt. Ich bin hergekommen, um ihr ein bißchen zu helfen. Ach, du weißt ja nicht, daß ich das Zahnärzteln aufgegeben habe und pensioniert bin, nicht wahr? Ich habe also Zeit für solche verwandtschaftliche Hilfe. Außerdem ist sie ein liebes Mädchen. Und in der Bretagne hätte ich ja auch nichts über deine neuen Eskapaden erfahren.«
Madame Ladurie erschien wieder. Die Zerbrechlichkeit ihrer Gestalt wurde durch die Trauerkleidung noch betont, aber sie wirkte gelassen. Aus einer kostbaren Limoges-Kanne goß sie Kaffee nach.
»Wie lange haben Sie einander nicht gesehen?« fragte sie Matzbach.
Baltasar musterte Pennec. »Oh, gründlich seit achtundsechzig, glaube ich, und dann haben wir uns zwischendurch noch mal kurz gesehen, aber was zählt das? Alle drei Jahre eine Postkarte, das reicht bei guten alten Freunden.«
Pennec kicherte. »Erinnerst du dich noch an dieses irrsinnige Labyrinth, das du damals gebaut hast?«
Ariane ächzte. »Ein Labyrinth hat er gebaut?«
»Ei freilich«, sagte Baltasar auf Deutsch. Dann, auf Französisch: »Was sollte denn so einer wie ich sonst bauen? Die Pyramiden sind längst erfunden, und eine Neuauflage wäre langweilig. Die richtig guten alten Labyrinthe dagegen, wo gibt's die heute schon? Also habe ich eines gebaut. Pierrot war natürlich der erste, der sich darin verlaufen hat.«
Pennec zupfte an der Spitze seiner Nase herum. »Ja, aber ich bin wieder herausgekommen.«
»Er hat seinen Weg herausgependelt«, sagte Baltasar. »Was mich auf diese Geschichte in der Provence bringt.«
Er legte den Fall Bronner/Demlixh/Grimaud/Druiden/Archäologe/Maharbal in allen Einzelheiten dar. Madame Ladurie machte zweimal frischen Kaffee, bis Matzbach am Ende seines Epos angekommen war.
»Stellt sich mir im Moment die Frage«, sagte Baltasar abschließend, »ob wir bis Montag früh in Montpellier bleiben. Ich rechne damit, daß die unfreundlichen Brüder spätestens morgen, wenn sie mich nicht im
maquis
von Vaucluse finden, böse werden und anfangen, mit spitzen Gegenständen nach mir zu suchen.«
Pennec blickte seine Nichte an. Sie nickte. »Natürlich. In diesem Haus ist Platz genug. Leider.«
Matzbach verneigte sich im Sitzen. »Das ist unendlich gütig von Ihnen, Madame, aber wir nehmen durchaus mit einem nahen, empfehlenswerten Hotel vorlieb.«
»Das kommt überhaupt nicht in Frage. Wenn Sie nicht darauf bestehen, heißt das.«
Beim Abendmahl sprachen sie über bedeutende Dinge; erst später, als sie wieder im Wohnzimmer saßen, in dem ein Kamin für Atmosphäre sorgte, kam Baltasar auf die wirren Ereignisse zurück.
»Pierrot, was weißt du über diesen Druiden Phérex? Er scheint das Oberhaupt der Truppe zu sein, die sich hin und wieder bei Demlixh aufhält und ihm zur Genesung ein
Alignement
errichtet hat.«
Pennec beugte sich vor, ergriff einen Haken und stocherte im Kamin. »Das ist alles Unsinn«, sagte er. »Wir wissen bis heute nicht, ob die Leute, die die Dolmen und
Alignements
errichtet haben – nennen wir sie einfach die Megalith-Leute –, die Steine an diesen Stellen aufgestellt haben, weil dort starke Erd-, Wasser- oder sonstige Strahlen waren, oder ob die Strahlen dort heute gemessen werden können, weil die Steine da stehen. Sicher haben bestimmte Strahlenfelder und bestimmte auf ihnen stehende Steinformationen heilende oder schädliche Wirkung. Es ist aber eine völlig idiotische Annahme, Druiden könnten einfach so irgendwo Steine aufstellen und damit
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