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Das Doppelgrab in der Provence

Das Doppelgrab in der Provence

Titel: Das Doppelgrab in der Provence Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gisbert Haefs
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menschliche Charakter nicht ausreicht. Also, kurz gesagt, die Aufklärung ist endgültig vorbei, darüber sind wir uns ja wohl alle einig, und die neuen finsteren Jahrhunderte beginnen mit allerlei Aberglaube.«
    »Als ob das je abgerissen wäre«, sagte Ariane.
    »Nun, wie man's nimmt – immerhin haben europäische Staaten eine ganze Weile Realpolitik betrieben und versucht, ihre inneren und äußeren Affairen rational zu regeln. Hitler und Stalin wollen wir dabei aus dem Spiel lassen; die Ausnahme erprobt die Regel. Jedenfalls haben Kirchen, Sekten und Weltanschauungen selten so viele junge, überzeugte Anhänger gehabt wie im Moment. Und wenn nun ein ehrgeiziger und fähiger Druide auf den Gedanken kommt, aus einem eher geheimen Bund, der noch dazu ziemlich elitär ist, eine Massenbewegung zu machen, sollte man das wohl ernstnehmen, denn es wird vermutlich machbar sein. Wenn man es geschickt anfängt.«
    Baltasar klopfte mit dem Schürhaken auf den Boden. »Also, Pierrot, um zusammenzufassen: Du meinst, Phérex will einen Geheimbund zu einer Sekte oder Religion aufblähen.«
    Pennec nickte. »Mit allem, was dazugehört. Organisation, Geldbeträge, Schulen, Hierarchie, höhere Weihen, Kampftrupps, was du willst. Er gehört nicht mehr den regulären druidischen Organisationen an. Es ist jetzt etwa zehn Jahre her, daß er seinen eigenen Verein aufgemacht hat.«
    »Ja gut, aber was hat er den Leuten zu bieten?« sagte Ariane ein wenig ratlos.
    Pennec lächelte sie an. »Nichts, natürlich«, sagte er. »Außer dem, was jede Kreuzfahrerbande ihren Mitgliedern bietet: Zusammengehörigkeitsgefühl, undurchsichtige und daher glaubwürdige Riten, eine gänzlich abstruse Weltanschauung mit Jenseits und Wiedergeburt, moralische Regeln für das tägliche Leben, Macht durch Aufstieg in der Hierarchie, das Gefühl, anders und besser zu sein als der Rest der Welt. Sie sehen, liebe Ariane: Nonsens, Humbug, wie ich bereits sagte, aber es gibt viele Leute, ungefähr neunzig Prozent der Bevölkerung, die sich durch so etwas ködern lassen.«
    Sylvie warf ein: »Mir scheint, daß das ein großes Unternehmen ist. Wenn er schon seit zehn Jahren daran arbeitet, dieser Phérex, warum hat man dann noch nicht von ihm gehört? Müßte er nicht längst weiter sein, groß und mächtig, Chef einer großen Gemeinschaft? Andernfalls hat er doch nie eine Chance, zu Lebzeiten mehr daraus zu machen, oder?«
    Pennec kratzte sich den hinteren Saum der Tonsur. »Das ist eine schwierige Frage. Es kann durchaus sein, daß er sich stark genug fühlt, um bald in die Öffentlichkeit zu gehen.«
    Baltasar zündete sich eine neue Zigarre an. »Wie ist es mit Geld? Wer so eine Organisation aufziehen will, braucht Startkapital und einen ständigen Zustrom von Mitteln, um die Sache weiterlaufen zu lassen.«
    »Das ist richtig, und da liegt sicherlich eines unserer Hauptprobleme. Du weißt, wir sind ziemlich zurückhaltend. Die meisten Druiden haben einen normalen Beruf, von dem sie leben, und wenn sie als Druiden auftreten, sind sie oft maskiert – wenn ein Außenstehender dabei ist. Wir wissen aber in der Regel wenig voneinander. Ich kenne eine Reihe Druiden, deren Beruf ich nicht kenne. Vielleicht ist Phérex privat Steuerinspektor oder Ölmillionär. Oder er hat einen Sponsor. Vielleicht erpreßt er jemanden, um an Geld zu kommen, oder er macht unsaubere Geschäfte.«
    »Paßt das zum Ethos der Druiden?«
    »Du weißt selbst, daß es nicht paßt. Aber vergiß nicht: Er ist abgesprungen, und allein sein Machtstreben, sein Ehrgeiz sind, wenn man so will, undruidisch.«
    Baltasar blies eine machtvolle Drachenwolke an die Decke. »Ich weiß«, sagte er süffisant, »weil ich von dir in gewissen Techniken ausgebildet worden bin. Was eure restliche Überlieferung, eure Glaubensbekenntnisse, euer Ethos angeht – sei mir nicht böse, aber da habe ich mich in den letzten fünfzehn Jahren nicht geändert. Ich halte dies alles für phantasievollen Blödsinn, angefangen bei euren moralischen Lehrsätzen, den bardischen Triaden, bis hin zu deiner Behauptung, mit Hilfe eurer Techniken, der Rute und der sonstigen Kenntnisse sei Magie möglich.«
    Ariane blickte besorgt von Baltasar zu Gaston Pennec und zurück. Sie fand nur Sympathie und Augenzwinkern, auf beiden Seiten. Pennec fing ihren Blick auf.
    »Seien Sie unbesorgt, Ariane«, sagte er. »Wir haben dieses Gespräch schon mehrmals geführt. Im übrigen nehme ich das alles auch nicht so furchtbar ernst. Das sehen

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