Das Doppelgrab in der Provence
Gréoux-les-Bains. Die zweite von Gréoux nach Brignoles. Die dritte von Brignoles nach Aups. So. Bei Brignoles ist die lateinische Version des Testaments gefunden worden, also werden die beiden anderen bei Gréoux und Aups gewesen sein. Sieh dir mal die Luftaufnahmen an.«
Baltasar zeigte Deschamps die dritte Calanque von Cassis: wurmförmiges Wasser neben wurmförmigem Hügel. Die Fundstelle des Testaments: wurmförmiger Bachlauf neben halb abgetragenem wurmförmigen Hügel. Den wahrscheinlichen Fundort bei Gréoux: der Verdon-Stausee. Auf einer älteren Karte, die er aus dem Rucksack zog, war an dieser Stelle eine wurmförmige Krümmung des Verdon neben einem wurmförmigen Hügel zu sehen. Der Hügel war gesprengt, versetzt oder anderswie entfernt worden, der Verdon bildete einen See.
»Das können wir vergessen, genauso wie den dritten Punkt«, sagte Matzbach. Das Foto der Gegend bei Aups: ein ausgetrockneter Bachlauf neben einem kaum noch erkennbaren Hügel, über den die Nationalstraße lief. An der Stelle, an der – analog zur Fundstelle bei Brignoles – des Karthagers Testament hätte gewesen sein können, befand sich eine kleine Transformator-Station, und die gesamte in Frage kommende Fläche war betoniert.
»So. Weiter! Dreimal heiliges Dreieck, dann kommt die Vier, die die Fläche verläßt. Ich bin davon überzeugt, daß man jetzt die letzte Dreiecksseite, die Strecke Aups-Draguignan, zum Quadrat machen soll. Die Eckpunkte des Quadrats sind Aups, Draguignan, Comps-sur-Artuby und ein Punkt am Ende des Verdon-Canyons. Der Karthager hat aber an vier Stellen etwas vergraben. Aups scheidet aus, weil da eines der Testamente gewesen sein muß. Wo ist der vierte Punkt? Einer, denke ich, der von den anderen drei gleich weit entfernt ist. Also ziehe ich beide Diagonalen durch das Quadrat und erhalte — vier Dreiecke. Dreimal ist die Drei heilig, dann kommt die Vier, die die Fläche verläßt. Der vierte Punkt liegt oben auf dem Plateau von Canjuers – wahrscheinlich unter einem Bunker. Es hat keinen Sinn, da oben zu suchen; außerdem sind allenthalben Kratzer von den Schießübungen, und niemand wird uns erlauben, da zu graben. Ist auch zu gefährlich. Da, die Ecke bei Comps; ein kleiner Hügel, daneben eine wurmförmige Krümmung des Artuby. Wo der karthagische Schatz liegen sollte, steht die Kirche. Ha.«
Auf einer alten Karte zeigte Matzbach Deschamps dann den vermeintlichen Vergrabungsplatz am Ende der Verdon-Schlucht: ein Punkt mitten im heutigen See von St. Croix. Und kichernd zeigte er ihm, auf der Karte und auf dem entsprechenden Luftfoto, den vierten Punkt, an dem ein Teil der karthagischen Legate liegen mochte, und Deschamps brach in wieherndes Gelächter aus.
Der Hügel oberhalb von Demlixhs Villa war wurmförmig, und der kleine Bach krümmte sich wie ein Regenwurm. »Wer immer vor ein paar Jahrhunderten diese Villa gebaut hat«, keuchte Matzbach, der sich von Deschamps' Gelächter hatte anstecken lassen, »wußte sicher nicht, auf welch kostbarem Fundament das Haus errichtet wurde.«
Deschamps sagte nachdenklich: »Könnte es nicht sein, daß Sie ... daß du dich um ein paar Meter verrechnet hast?«
»Natürlich. Aber nur ein paar Meter. Wenn, was ich annehme, dieser Maharbal überall ähnlich gebuddelt hat wie bei Brignoles, kann man das fast berechnen. Sieh mal, der Hügel. Da ungefähr ist der Mittelpunkt des Hügels. Der Bach macht eine Schlangenlinie um das Hügelende. Wenn wir jetzt vom Mittelpunkt des Hügels eine Linie zum Bach ziehen, den Bachbogen als Teil eines Kreises ansehen, den gedachten Kreis vervollständigen – was dann? Die Linie von der Hügelmitte zum Bach berührt den Mittelpunkt des angenommenen Kreises. Genau an der Stelle ist bei Brignoles das Testament gefunden worden. Nun kann es sein, daß sich im Lauf der Jahrhunderte der Bachlauf hier und da geändert hat. Aber auf dem Schießplatz auf dem Plateau ist überall da, wo einmal diese kleine Quelle auf den alten Karten war, heute Beton, Bunker, Keller – egal, ob wir ein paar Meter abweichen. Und rund um den Punkt am Verdon ist überall See, und rund um den Punkt in Comps ist überall Kirche. Und hier steht die Villa, stehen die Ställe. Der Schatz ist futsch.« Sie packten die Karten weg. Deschamps holte Hacken und Schaufeln und ein Abschleppseil aus dem Wagen; Matzbach bat ihn um die Wünschelrute, die er ihm vor einigen Tagen anvertraut hatte. Deschamps zog sie unter der Rückbank hervor.
Sie gingen einmal um
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