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Das Dorf in der Marsch

Das Dorf in der Marsch

Titel: Das Dorf in der Marsch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hannes Nygaard
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die Wohnküche zurück. Gesine Witte ließ sich auf die Küchenbank fallen.
    Â»Ich kann es Ihnen leider nicht ersparen«, begann Christoph leise. Die Frau schien ihn nicht gehört zu haben. Deshalb wiederholte er es etwas lauter. Als sie ihn ansah, erklärte er:
    Â»Es gab die Auseinandersetzung zwischen Ihrem Mann und Gaultier. Der Grund dafür waren Sie.«
    Sie wischte sich mit dem Handrücken über die Augen.
    Â»Sehen Sie mich doch an. Können Sie sich vorstellen, dass mir ein Mann seine Aufmerksamkeit schenkt? Michel ist ein grundsolider Familienvater. Wir wissen, was wir an ihm haben. Fleißig. Liebevoll. Er ist seinen Kindern ein guter Freund. Michel ist immer für uns da, wenn man ihn braucht. Das alles hier hat er geschaffen. Er rackert sich ab, damit es uns an nichts fehlt.«
    Â»Und plötzlich taucht dort jemand auf, der Sie in eine andere Welt entführt.«
    Â»Das habe ich zuerst gar nicht mitbekommen. Ich habe Roger Gaultiers Bemerkungen als dummes Geschwätz abgetan, mich darüber amüsiert, dass mir jemand Komplimente macht. Und dann einer wie er. So ein alter Knabe. Er hat mich dazu gebracht, mich selbst im Spiegel zu betrachten, mich so zu sehen, wie meine Familie es nie getan hat. Zunächst habe ich geglaubt, Roger hätte den Blick, wie ihn nur Maler haben können, doch dann hat es mich berührt. Irgendwie.« Sie verschränkte die Arme vor der Brust und schüttelte sich leicht.
    Nach einer ganzen Weile fuhr sie stockend fort. »Roger mit seiner Erfahrung hat mir eine ganz andere Welt gezeigt. So etwas hätte Michel nie mit mir gemacht. Sagen Sie«, dabei sah sie Christoph aus tränenverschleierten Augen an, »hat eine Frau wie ich nicht auch ein Anrecht darauf, einmal im Leben – einmal  – so etwas zu erleben?« Sie holte ein Taschentuch hervor und schnäuzte sich. Dann senkte sie den Blick. Ihr Finger zeichnete unsichtbare Figuren auf die Tischplatte. »Verachten Sie mich jetzt?«, fragte sie, ohne Christoph anzusehen.
    Â»Ich fälle keine Urteile, schon gar keine moralischen. Mich interessieren die Hintergründe, um mir ein Bild von den Beteiligten zu machen. Lieben Sie Gaultier?«
    Erschrocken sah sie auf. »Lieben? Um Gottes willen. Nein! Mein Mann. Meine Kinder. Mein Leben. All das würde ich nie aufgeben.« Sie tupfte sich die Augen ab. »Es war doch nur ein Traum. Ein schöner«, fügte sie leise an.
    Â»Wie hat Ihr Mann davon erfahren?«
    Â»Der weiß es nicht. Nicht konkret. Schon gar nicht, was alles passiert ist. Er glaubt, es wäre nur ein Techtelmechtel. Sonst würde er sich sofort scheiden lassen. So etwas geht hier nicht hinterm Deich. Und was soll dann aus den Kindern werden? Aus mir? Wo soll ich dann hin?«
    Christoph war sich nicht sicher, ob Witte wirklich nichts gewusst hatte. Sonst hätte der Mann nicht so harsch reagiert.
    Â»Wussten Sie von Gaultiers Krankheit?«
    Â»Er ist gesund. Sonst könnte er das nicht durchstehen.«
    Â»Gaultier hat Ihnen nichts gesagt?«
    Â»Die kleinen Wehwehchen haben nichts zu bedeuten.« Plötzlich stutzte sie. »Ich spreche von Michel.«
    Â»Nein. Gaultier. Hat er Ihnen gegenüber seine Krankheit erwähnt?«
    Â»Welche Krankheit?«
    Â»Frau Witte. Sie sollten einen Arzt Ihres Vertrauens aufsuchen und mit dem offen über das Vorgefallene sprechen. Bitten Sie den Mediziner, eine Blutuntersuchung zu machen.«
    Wieder traf ihn der verschleierte Blick. »Was für eine Untersuchung?«
    Christoph kämpfte mit sich. Es war nicht sicher, dass sich Gesine Witte angesteckt hatte. Würde er von HIV sprechen, könnte das bei ihrer ohnehin angeknacksten Psyche ein erneutes Erdbeben auslösen. Andererseits musste er die Frau warnen. Sonst wäre er verantwortungslos.
    Â»Als Sie mit Gaultier intim waren … Haben Sie Verhütungsmittel benutzt?«
    Sie lachte bitter auf. »Ich nehme die Pille. Noch ein Kind können Michel und ich uns nicht leisten. Dafür sind wir inzwischen zu alt.«
    Â»Ich meine, ob Sie Kondome benutzt haben?«
    Entrüstung zeigte sich in ihrem tränenverquollenen Gesicht.
    Â»Sagen Sie mal. Sie stellen aber intime Fragen.«
    Â»Bitte, Frau Witte. Es ist wichtig«, bat Christoph.
    Sie faltete die Hände wie zum Gebet und versenkte sie in ihrem Schoß. Dann drehte sie den Kopf zur Seite und vermied jeden Blickkontakt.
    Â»Nein.

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